In den Winden der Welt - Tharon Radulfsson

Das Untier

Beitrag von Das Untier » 05 Jul 2005, 02:50

Es keucht. Es ist atemlos. Es ist verwundet. Der Nordmann war zu stark. Schlechte Wahl für ein Opfer. Sein Schwertstreich ist der Tod. Doch der Auftrag ist noch nicht beendet. Mudden muß sterben. Radulfsson muß sterben. Und vor allem muß diese Glorianna sterben. Das ist sein Wille.
Der Nordmann. Da kommt er. Verschwinde! Was tut er? Die Baumfrucht lindert den Schmerz.

War es kein Tier, dass einer wie er Mitleid empfand?

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Beitrag von Tharon » 11 Jul 2005, 12:26

Einige Tage später.

Tharon und einige Gefährten waren in Bredorf, als Arvid ihm die Nachricht von Wulfus' Rückkehr überbrachte. Und als wenn diese Neuigkeit nicht beunruhigend und interessant genug zu sein schien, tauchte auch noch ein Priester namens Erienyth auf. Er berichtete, dass Nyariveen, der Werwolf, geflohen sei. Tharon wußte, dass Zardan und die anderen Nyariveen in die Abtei brachten. Ein Unbekannter verhalf dem Werwolf aber zur Flucht. Glorianna schlug vor, den Wolf in den nördlichen Schwarzbergen zu suchen, da alle Hinweise darauf hindeuteten, dass er dort zu finden war. Und weil Tharon auf der Liste des Wolfes stand, schien es vernünftig, dass er seine Gefährten nicht begleitete -auch wenn es ihm nicht unbedingt gefiel.

Glorianna zuckte zusammen. Schon oft hatte Tharon dies in letzter Zeit bemerkt: Das geschah immer dann, wenn sie eine ihrer Visionen hatte. "Jemand ruft Dich", sagte sie. Tharon war überrascht. Nein, nicht wirklich. In letzter Zeit war er ein gefragter Mann bei Gut und Böse. Es stellte sich heraus, dass Thoregard ihn rief. Thoregard half ihm einst, den Mörder Rherildans zu stellen und zu erlösen.
"In der Ebene der Vergessenen", erklärte Glorianna.

Nach kurzem Abschied brach er auf. Er nahm ein Pferd und ritt schnell durch Wind und Wetter, um Thoregard zu finden. Der alte Mann saß auf einem Hügel südlich der Brücke, die in diese Lande führte. Wie immer spielte er mit einigen Knochen in seiner Hand.
"Du willst mich sprechen", murmelte Tharon.
"Ja. Es wird Zeit für mich, diese Welt zu verlassen", sagte Thoregard mit verklärtem Blick. Tharon nickte. Er hatte es geahnt. Und es schien endgültig und sinnvoll zu sein, dass der alte Mann, der für seine Taten Buße getan hatte, endlich Frieden und Ruhe finden würde. Tharon sah ihn fragend an.
"Ich will Abschied nehmen. Doch ich will diese Welt nicht verlassen, ohne Dir noch einmal zu helfen und Dir zu sagen, was ich gesehen habe."
"Was hast Du gesehen?" fragte Tharon leise.
"Der Grimmwolf. Er ist auf der Suche. Er wurde entsandt. Jemand ist sein Meister."
"Nyariveen?"
"Nein. Nyariveen ist so etwas wie ein Jäger. Jemand hat den Elfen auf die Spur des Grimmwolfes gebracht."
Tharon verstand nicht. "Was redest Du da?"
"Nyariveen hat ein Ziel. Sein Ziel ist es, den Grimmwolf zu vernichten, bevor seine Herrschaft von 13 Jahren weiter andauert. Der Elf hat sich in einen Wolf verwandeln lassen, er hat sein Blut vergiften lassen, um den Grimm zu finden."
"Dann ist er unschuldig?"
"Ja", sagte Thoregard. "Der Grimmwolf hat Nyariveens Frau und Kind getötet. Und seitdem ist Nyariveen auf der Suche nach dem Grimmwolf."
"Wieso hat er das auf sich genommen?" fragte Tharon dann.
"Weil jemand ihm sagte, dass er nur in Wolfsgestalt die Spur des Grimmwolfes finden kann."
"Was ist der Grimmwolf?" fragte Tharon.
"Er ist der Geist eines Werwolfes."
"Wie jene im Tiefenwald?"
"Nein. Er ist der Geist eines mächtigen Werwolfes aus dem Norden. Aus Midgard. Und er bemächtigt sich in diesen Landen hier armer Seelen, die sich dann in einen riesigen schwarzen Wolf mit braunem Rückenkamm verwandeln. Sie sind dann nicht sie selbst. Jemand lenkt den Grimmwolf, ich weiß nicht wer. Doch dies alles mußte ich Dir sagen, bevor ich gehe."
Thoregard wurde leiser und schwächer. Dann erhob er nochmals seine Stimme.
"Bald schon werden Deine Gefährten dem Grimmwolf gegenüber stehen."
"Wieso stehen diese Namen auf der Liste? Und wer lenkt den Grimmwolf?"
"Ich weiß es nicht."
Bevor Thoregard starb und Tharon seinen Leib verbrannte, gab er ihm ein paar Schutztalismane gegen den Grimmwolf.

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Beitrag von Tharon » 11 Jul 2005, 13:09

Jaspertin lebt. Er hat die Macht. Er hat Tharons Augapfel. Er kann ihn beherrschen.

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Beitrag von Tharon » 12 Jul 2005, 12:57

Jaspertin erschien in der Nähe der Katakomben der Lebaner. War er ein Geist? War er ein Wiedergänger, wie Glorianna ihn bezeichnete?
Bevor er verschwand, holte er etwas hervor. Es war ein kleiner kugelförmiger Gegenstand, den er in die Seiten eines dunklen Buches hielt. Und Tharon spürte großen Schmerz, der ihn fast zu Fall brachte. Dann sah er es: Jaspertin hatte seinen verlorenen Augapfel aufbewahrt. Und Tharon sah nun direkt in das Buch: Was er sah, waren Flammen und Feuer, Qualen und Tod.
"Geh zum Heiligtum in der Ebene der Vergessenen und setze Deinem Leben ein Ende!" rief Jaspertin.
Tharon, geblendet und schwach, folgte dem Befehl des Wahnsinnigen. Jaspertin hatte zuvor gesagt, dass seine Rache bei Tharon beginnen würde. Doch diese Gedanken waren Tharon nun fremd, denn er nahm sich ein Pferd und ritt in die Ebene der Vergessenen.
Am Heiligtum angekommen traf er auf Zardan, GLorianna, Gardem und die anderen. SIe wollten ihn aufhalten. Doch Jaspertin hatte befohlen. Und wenn einer ihn aufhalten würde, so würde er Tharons Klinge spüren und vor ihm sterben.
Dann kam Kälte.

In der Abtei nahe Bretonias erwachte Tharon. Gardems Zauber hatte ihn erfrieren lassen. Dies brach den Bann Jaspertins. Schnell nahm Tharon seine Waffen, als ein Jünging angelaufen kam. Voller Furcht berichtete er von einem fliegenden Ungeheuer. Die Gefährten gingen an den Ort im Norden, den der junge Mann beschrieben hatte. Welche Teufelei hatte Jaspertin nun geplant?

Der Drache landete auf dem Gipfel des Berges. Tharon staunte ob der Größe des Wesens. Und die Gestalt, die von ihm abstieg, ihm dankte und dem Wesen nachsah, als es davonflog, war nicht unbekannt. Er hatte sich verändert. Ruhiger und ernster, vielleicht auch kühler war er nun. Tharon erinnerte sich, dass der alte Mann aus dem Wald ihnen zeigte, was die Gestalt alles gesehen hatte in Midgard.

Doch unabhängig davon: Es war der Tag von Eldorians Rückkehr.

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Beitrag von Tharon » 12 Jul 2005, 13:16

Und schon einen Tag später kehrte Sulva'Irn zurück. Es schien, als wenn im Augenblick das Glück auf Tharons Seite war -unabhängig von Jaspertin.

Sie war noch schwach von ihrer Krankheit, ihrem Fieber. Und Tharon erinnerte sich, dass Illeneah gewarnt hatte, Sulva'Irn zu zwingen, sich genau an das zu erinnern, was in den Sümpfen geschah. Und tatsächlich war es so, dass sie sich an nichts erinnern konnte und von ihrer Krankheit überzeugt war. Glorianna und Tharon redeten viele Stunden mit ihr über dies und das. Neuigkeiten wurden ausgetauscht.

Als die ELfe schlief, hatte sie wohl einen Alptraum. Sie jappste nach Luft, sie schrie und schien in Angst und Panik zu sein. Glorianna schaffte es, sie zu beruhigen.

Und als Sulva'Irn sich verabschiedete, um für eine Weile zum Blauen Turm zu gehen, beschlossen Tharon und Glorianna, dass er ihr heimlich folgen sollte: Denn Glorianna hatte in Sulvas Geist sehen können: Sie träumte davon, wie etwas sie in die Tiefen zog und sie drohte zu ertrinken. Tharon erinnerte sich daran, dass er an Sulvas Stiefel Klauenspuren sah und dass auch die Hand vernarbt war. Da war mehr geschehen, bevor sie verschwand. Er erinnerte sich an die Hände, die gefunden wurden; der Spruch "Es ist Zurück"; das Blut; immer am Wasser. Da war ein Ungeheuer aus alter Zeit...

Tharon folgte Sulva'Irn. Sie ging in den Blauen Turm, um Studien nachzugehen. Als Tharon sah, dass sie in Sicherheit war, entlohnte er einen elfischen Kundschafter, dass er Sulvas Wege leise und still begleiten möge -egal wohin sie führen.

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Beitrag von Tharon » 15 Jul 2005, 11:43

Sulva'Irn hielt sich eine ganze Weile in den Sümpfen am Blauen Turm auf. Und als Tharon sich sicher war, dass sie in guter Obhut und in Sicherheit war, besprach er nochmals alles mit dem Kundschafter. Dann ging er seiner Wege.
Rherildan von ihm gegangen, Ravan unauffindbar. Fhink auf Reisen, Eldorian zurück, aber verändert. Kathlynn schon lange irgendwie im Leib oder Geist Gloriannas verschlossen. Nun, da Kathlynn so lang schon fort war, hatte Tharon sich entgegen seiner Entschlüsse an Glorianna gewöhnt; sie war ihm sogar wichtig und vertraut geworden. Würde plötzlich Glorianna wiederum verschwinden, es würde ihn sehr verwirren, da war er sich ganz sicher. Gab es denn keinen Weg?
Und Drogar? Drogar half ihm gegen Radulf, dann führte ihn die Suche nach seiner Vergangenheit und die Suche nach seinem Volk wieder nach Hibernia. Der zweite Abschied war ein guter Abschied, denn Tharon wußte, er würde wieder zurückkehren, wie er es sagte. Den Stein seiner Ahnen, den Tharon Drogar gab, ließ er wieder mit ihm gehen. Es schien die Hoffnung zu sein, dass Drogar bald zurückkehren würde.
Sulva'Irn. Welches Untier hatte sie angegriffen? Und weshalb konnte die Elfe fliehen? Sie hatte keine Erinnerungen mehr. Dies und düstere Gedanken über Jaspertin ließen ihn zu einem weiteren Punkt kommen: Maranos. Er ist zurück, hieß es von Glorianna. Nun, wenn sie sich einer Sache sicher war, dann sprach sie es auch aus. Darum ahnte Tharon schlimme Dinge.
Dass sich dies bald bewahrheiten würde und dass Hoffnung oft nur ein Trugbild ist, sollte sich schon bald zeigen.

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Beitrag von Tharon » 15 Jul 2005, 12:06

Der Mond schien ganz #### in der Nacht. Voll und beobachtend hing er wie ein weißes Auge am schwarzen Himmel, als sich die Nacht über Bredorf legte. Nur ein paar Gestalten sah man noch vor der Taverne stehen: Tharon, Sulva'Irn, Glorianna, Ashimar und Rodod. Sulva war noch sehr schwach auf den Beinen, und es schien so, als wenn sie sich immer noch nicht erinnerte. Illeneah hatte Tharon ausdrücklich gewarnt, nichts zu erzählen; nicht zu sagen, dass das Ungeheuer sie in die Tiefen zog, dass es sie angegriffen hatte. Tharon hielt sich daran. Er war noch nie ein guter Seelenheiler. Ashimar, interessiert an Sulva'Irn, schien sehr besorgt. Tharon hatte es der überraschten Sulva gesagt, dass Ashimar wohl ihre Nähe zu suchen schien. Aber an diesem Abend stand eine andere Frau im Mittelpunkt: Ihr Name war Alelile Tagan.
Als sie verstört und voller Trauer nach Tharon fragte, gab er sich zu erkennen. Sie stellte sich den anderen und ihm vor. Dunkle Ränder unter den Augen, trüb und wässrig. Schlimmes mußte der armen Elfe wiederfahren sein.
"Kennt Ihr einen Herrn Tagan?" fragte sie.
Keiner kannte ihn.
"Drogar...Drogar Tagan", sagte sie dann leise und schluchzte dabei fast lautlos. Den kannten sie alle. Drogar. Er ging nach Hibernia, wegen seiner Vergangenheit.
"Wie geht es ihm?" fragten alle. Tharon war zunächst erfreut, von Drogar auf diesem Wege zu hören. Aber Freude und Aleliles Trauer passten nicht zusammen. Und als sie ihm den Ahnenstein gab, wurde es klar. Sie musste es nicht aussprechen, doch sie tat es: "Drogar ist tot."
Erschütterung. Wut. Zorn. Trauer. Alles zugleich ging wohl jedem durch den Kopf -Tharon war ebenfalls außer sich. Er hörte nur noch wenig von dem, was geredet wurde:
Bevor er seine Erinnerungen verlor, machten schwarze Gestalten schon Jagd auf ihn und seine Familie. Sie töteten alle. Drogar war der letzte seiner Sippe, und Alelile war seine Ehefrau. Als er starb, gab er Alelile den Stein und sagte ihr, wo sie Tharon finden würde. Vergiftet hatte man ihn, er starb qualvoll in ihren Armen. So lange hatte sie ihren Liebsten erwartet, so kurz war das Wiedersehen. Rodod, Ashimar und Glorianna waren entschlossen, die Mörder zu stellen, so sie Alelile, die in Bredorf verbleiben würde, aufsuchen würden. Sulva'Irn war entsetzt und sprachlos. Sie saß schwach und hilflos auf den Stufen der Taverne. Tharon würde nun starke Worte finden und ihr aufhelfen, allen wie immer Mut machen. Doch nicht heute, nicht jetzt. Drogar tot. Nach all den Verlusten war dies die Krönung der schlechten Wochen eines sehr schlechten Jahres. Der Schmerz bohrte sich tief in die gerade verheilte Wunde nach Rherildans und Radulfs Tod.
Alelile gab Tharon also den Stein. Während er sich den Stein an einer Kette befestigte, holte sie noch etwas hervor. Eine Karte. Sie hatte den Ort in Hibernia markiert, wo es geschah. Dort war er auch begraben. Sein Grabstein war sein Schwert. Tharon nahm auch die Karte an sich. Alelile indes kehrte in der Taverne ein. Ashimar zahlte das Zimmer und ging selbst wortlos ruhen. Rodod verabschiedete sich nur nickend und ging davon. Es gab nichts mehr zu sagen.
Tharon sah zum Mond. Er schien den Weg zu beleuchten, den Drogar ging als sie sich verabschiedeten. Die Hoffnung, gebunden am Stein, war verschwunden. Sulva versuchte, ihn zu trösten, fand Worte, die bei Tharon aber kaum Wirkung zeigten.
"Es passiert andauernd. Wieso also nicht auch heute?" fragte er sich selbst, zynisch und resignierend zugleich.
"Wieso konnte ich es nicht verhindern? Diese Dinge geschehen, und ich kann sie nicht verhindern. Ich bin wertlos, wenn ich den Tod anderer nicht verhindern kann."
Sulva'Irn und Glorianna versuchten Tharon Mut zu machen. Schon oft habe er sie gerettet, aber manche Dinge geschehen und können nicht vermieden werden, sagten sie.
"Ich verstehe Eure Worte. Aber wie auch immer: Ich werde nun wandern. Nachdenken. Ich bin bald zurück."
Nach einem langen Abschied verließ Tharon die beiden Frauen und rannte so schnell er konnte davon.

Nachdenken. Über was? Während er lief, würde das nächste Unheil kommen und Freunde vernichten.

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Beitrag von Tharon » 15 Jul 2005, 13:11

Tag und Nacht wanderte Tharon umher. Kein Ziel. Das Böse ließ sich niemals aufhalten. Die Worte Gloriannas und Sulva'Irns verblassten wie das Licht der Sonne, das in langen Stunden am Lagerfeuer der trüben Dämmerung wich und Tharons Gemüt versteinern ließ. Ewig lang die Abende am Lagerfeuer. Ewig lang und wach die Nächte. Er konnte ihn nicht retten. Er hätte entgegen Drogars Wunsch ihm nach Hibernia folgen sollen. Wieso hatte er das nicht getan? Warum nur hatte er auf Drogars Wünsche gehört?

Morgendämmerung. Zwei Tage wanderte er nun. Er trank keinen Met, nur noch Wasser. Er nahm sonst nichts zu sich. Stille und Leere suchte er. Er fand sie überall. Und da, wo Leben war, zog es ihn nicht hin. Nun legte er die Decke zusammen, trank ein paar Schlücke und zog weiter.
An einem kleinen Wald hielt er an. Die Bäume waren tot. Schwarze Dämpfe schlichen sich aus dunklen Erdlöchern in die Höhe und durchzogen das karge Land. Tharon ging bis zu einer Sturmeiche. Sie war durch einen Blitz in der Mitte gespalten und starrte dennoch mächtig auf den Nordmann herab. Der Ort schienn sehr passend für Tharon. So legte er die Decke aus, legte Helm und Rüstung ab. Er verneigte sich vor dem Himmel und wollte ein Gebet sprechen. Er wollte um Klarheit bitten, vielleicht um einen göttlichen Befehl des Donnergottes. Doch die Worte und Gedanken fehlten ihm. Das erste Mal fühlte er sich schwach, er spürte den Mangel an Kraft, den Mangel an Glauben. Er konnte nicht einmal die Leere fühlen, die diesem Ort umgab. Und er irrte sich:
"Du hast mich gerettet. Und Du hast so oft schon andere gerettet, mein Sohn."
Tharon hörte die Stimme seines Vaters. Dann war es die Wahrheit: Radulf wurde gerettet, erlöst. Damals erschienen die Walküren und nahmen seinen Vater mit sich, nachdem Tharon seinen bösen Geist vernichtete -unter anderem dank Drogars Hilfe.
"Bist Du gekommen, um mich mitzunehmen an Odins Tafel? Dann bin ich bereit", sagte Tharon leise. Seine Augen waren geschlossen.
"Nein. Deine Zeit ist nicht gekommen. Du mußt leben, Tharon. Vieles ist geschehen, aber Du hast es überwunden. Wieso trifft Dich das Ende Deines Freundes nun so?" fragte Radulf.
"Weil er einer der letzten alten Freunde war. Weil ich ihm nicht gefolgt bin."
"Der Weg der Götter, der Weg der Nornen ist uns nie bekannt. Wir kennen das Schicksal nicht. Aber wenn es eintrifft, dann erkennenn wir es. Und wir müssen es hinnehmen, mein Sohn."
"Ja. Doch was, wenn ich das Schicksal hätte anders lenken können? Dann würde er noch leben."
"Würde er das? Es war sein Weg. Er ganz allein ist ihn gegangen. Und er ging ihn bis zum Ende. Er fand seine Frau, er fand sein Leben."
"Und dann ist er gestorben. Was für eine Erfüllung kann es sein?" fragte Tharon dann.
"Kann ein Mann mehr verlangen, als am Ziel seiner Träume zu sein? Kann er sich mehr wünschen als sich zu kennen, sein Weib in den Armen zu halten? Ist es nicht ein gutes Ende, wenn man im Moment des Glücks zu den Göttern gehen kann?"
"Das ist es. Doch er starb qualvoll", erwiderte Tharon.
"Ja. Doch die Qual hat ein Ende gefunden. Der Stein ist zurück. Drogar verweilt nun an einem Ort, der alles Glück der Sterblichen nur übertreffen kann. Und er schaut sicher voller Stolz auf Euch alle herab und ist zufrieden, ins Reine mit sich gekommen, voll mit guten Erinnerungen. Und so solltest Du Dich erinnern: Nicht an sein Ende, sondern an die Freundschaft, die Euch verbunden hat."
Tharon verstand. Wortlos öffnete er die Augen und nickte. Niemand war zu sehen. "Vater?" Keine Antwort mehr. Tharon fand Worte, um ein Gebet zu sprechen. Den Stein hielt er dabei fest in den Händen. Dann betrachtete er den Gürtel. Für jeden verschwundenen, jeden gestorbenen Freund machte er einst einen Knoten in den Gürtel. Es kaum noch Leder übrig für einen weiteren Knoten. Er machte sie, um sich besser an seine Gefährten erinnern zu können, um nicht zu vergessen.
Doch etwas in ihm tat nun etwas anderes: Er löste plötzlich all die Knoten. Er löste sich von dem, was war. Die Gegenwart. Sie allein war nun wichtig. Es gab Ziele: Das Ungeheuer; Jaspertin; Serefea und all die anderen Dinge. Und seine Freunde, die vergangenen Freunde, sie waren immer bei ihm.
Dann weihte er den Ort und nahm den Stein von der Kette. Es war nur natürlich, ihn an diesem Ort zu begraben. Die Karte aber behielt er. Irgendwann würde er diesen Ort aufsuchen und das Grab ansehen. Und die Leute, die Drogar töteten; jene werden eines Tages der Gerechtigkeit und Tharon ins Auge sehen müssen.
Klar und entschlossen. Der Pfad lag vor ihm.
Am Abend erreichte er Thyms Rast. Dort aß er ein wenig. Dann mietete er ein Pferd und ritt zurück nach Bedorf, auf die Dinge wartend, die kommen wollten.

Die Sonne ging auf, als er das Dorf erreichte. Der Hahn krähte. Langsam erwachte der Tag.

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Beitrag von Tharon » 20 Jul 2005, 12:26

Auch Eldorian, der von seiner langen traurigen Reise in den Norden berichtete, zeigte sich erschüttert ob Drogars Tod. Und während schwarz vermummte Gestalten die Zieheltern Eldorians im hohen Norden ermordeten, waren es auch schwarze Männer, welche Drogar sein Ende bereitet hatten. Ob diese Leute alle miteinander zu tun hatten, konnte niemand sagen. Wohl aber fiel der Verdacht auf einen, der schon länger in diesen Landen verweilte: Ein ganz in Schwarz gekleideter Mann, den man Schattenschlag nannte. Den Namen hatte Ashimar erfahren und ihn Tharon genannt.
Und wie das Schicksal in seinem Sinn für passende Momente es wollte, betrat jener Herr Schattenschlag die Taverne "Zur Quelle des Seins" in der großen Stadt. Er bestellte sich wortkarg ein Getränk. Doch Tharon, Eldorian und Glorianna versperrten ihm den Weg zum Tisch. Hatte dieser Mann vielleicht tatsächlich etwas zu tun mit der feigen Ermordung Drogar Tagans? Anschuldigungen und Feindseligkeiten seitens Eldorian, Glorianna und Tharon allerdings begegnete er mit spöttischer Ablehnung.
Da kam es Tharon in den Sinn:
Wenn Schattenschlag etwas wußte oder gar darin verwickelt war und wenn er nun in diesem Moment wieder in der Gegend war, was war dann mit Alelile? Hatte er sie schon aufgesucht in Muddens Taverne?
"Ich muß nun gehen, ich muß jemanden besuchen", sagte Tharon und schaute dabei wissend zu Glorianna. Sie nickte verstehend. Eldorian sagte Tharon in der Srache des Nordens, dass er nach Aleliles Befinden sehen wolle. So ging Tharon schnell nach Bredorf und ließ Glorianna und Elorian bei Schattenschlag zurück.

Die Taverne lag schon im schwachen Licht des Vollmondes, der von mehreren Wolken verdunkelt war. Tharon klopfte. Mudden ließ ihn ein und nickte ihm zu. "Alelile Tagan. Ich muß sie sprechen -jetzt!" rief Tharon entschlossen. Artim Mudden führte ihn zu den oberen Zimmern.
Alelile öffnete vorsichtig die Tür. Als sie Tharon erblickte, schien sie erleichtert und verängstigt zugleich. "Was ist denn?" fragte sie leise.
"Ihr müßt mich begleiten", sagte er bestimmend. Sie fragte nicht weiter nach, sondern nickte nur. "Herr Gralsund hat die Rechnungen bezahlt", sagte der Wirt. Tharon nickte. Dann beschwor er Mudden eindringlich, nichts über diese Vorfälle preiszugeben.

Auf dem Weg in die Berge schwieg die Frau. Tharon mietete zwei Pferde, doch sie ritten abseits der Wege. In Edailech aber besorgte Tharon frische Vorräte und Wasser. Dann führte er Frau Tagan hoch in die Berge, fast bis in die nördlichen Gefilde dieses Landes. Auf einem Hügel, gelegen zwischen mehreren Bergen und umgeben von einem kleinen Wäldchen, lag versteckt eine Lichtung. Dort brannte ein Feuer.
Herr und Frau Greifentaal begrüßten Tharon herzlich. Er und die anderen hatten Gardems Eltern hier versteckt. Denn auch sie waren in Gefahr: Lothoann, Gardems Schwester, war auf der Suche nach ihnen. Die Frau wurde erzogen von einem Dämon, gab sie selbst zu. Und nun wollte sie Gardem auf ihre Seite ziehen und dafür die Eltern beider benutzen. Und hier, in diesem Versteck, das Sulva'irn entdeckt hatte, schienen alle aufgehoben, die in der Not Schutz suchten.
"Hier sind Vorräte. Das ist Alelile. Auch sie ist auf der Flucht."
Alelile und die Greifentaals begrüßten sich und tauschten ein paar Worte aus.
"Seid vorsichtig. Ich werde morgen wieder nach Euch schauen. Und Zardan und die anderen sind auch immer mal in der Nähe. Wir werden uns um alles kümmern."

Wieder in Bredorf. In der Ferne sah Tharon einen Wolf. Kurz bevor Schattenschlag die Stadt verließ, lief der Wolf in die Wälder. Das war Nyariveen. Was war hier geschehen? Tharon fand einige der Sachen des Elfen und gab sie in der Taverne ab, dass man auf sie achtgeben solle. Dabei fand er ein Pergament in Nyariveens Sachen. Es zeigte eine Kohlezeichnung von Gloriannas Gesicht. Fein säuberliche Striche und Linien. So malte ein Bewunderer, so malte jemand, dessen Sinne betäubt waren. Von der Liebe.
"Wird das ein Problem werden?" fragte Tharon Glorianna, die verdutzt das Bild betrachtete. "Nein...ich hoffe nicht...", sagte sie dann.

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Beitrag von Tharon » 22 Jul 2005, 11:56

Ein Tag später. Im Tiefenwald hingen die Nacht und ihr Nebel in den dunklen Bäumen.
Gloriannas Visionen. Lang schon hatten sie Tharon beschäftigt. Wieviel wußte sie von ihm, das sie nicht preisgab? Oder wußte sie sogar Dinge, die er selbst nur von sich ahnen konnte? Jedenfalls schienen die Visionen die Wahrheit zu sein: Sie sah Nyariveen, schwer verwundet, im Sterben liegend. Ein alter Mann. Der Mönch. Er rettete ihn. Doch Glorianna sagte auch, dass er ihm das Mittel entzog, das seine Verwandlungen unterdrücken konnte.
Ein Elf namens Kasralia war zugegen. Er benahm sich höchst seltsam: Mal kannte er Nyariveen, dann wieder nicht. Und als die Gefährten beschlossen, den Mönch oder Nyariveen zu finden, da schien es, als würde Kasralia die Fährte aufnehmen.
"Wie ein Wolf", sagte Tharon, als der Elf verschwand. Es war der Grimm.

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Beitrag von Tharon » 02 Aug 2005, 02:15

Viele Tage gingen ins Land. Den Grimm oder Nyariveen hatte Tharon lang nicht mehr gesehen. Und die Mörder Drogars waren immer noch nicht entlarvt. So blieb Tharon nichts weiter, als dem gewöhnlichen Leben nachzugehen. Gedanken an vergangene Freunde, an Rheril, Ravan, Drogar und all die anderen. Wie ein Loch in der Seele, das sich ausbreitete, spürte er den Verlust in den eigenen Reihen. Zwar gab es immer wieder Trost, aber fort waren sie dennoch.

"Ich werde heute sterben." Gloriannas Worte waren deutlich und klar. So waren auch ihre Augen, die verklärt und dennoch entschlossen, zufrieden und dennoch unruhig in Kathlynns Gesicht ruhten. Kathlynn. Sie war Kathlynn, Kathlynn war sie. Immer noch nicht hatte er es ganz verstanden. Und als Glorianna erschien -nach Kathlynns Wahnsinn und Verschwinden durch den wahnsinnigen Maranos- da hasste er sie regelrecht. Sie hatte ihm Kathlynn genommen -Kathlynn, die er beschützen wollte. Und nun dachte er daran, dass er keinen wirklich beschützt hatte. Alles starb. Die Worte Gloriannas waren klar. Sie waren das Schicksal. Und als er wie die anderen sagte, dass er sie beschützen würde, da spürte er, dass es ein Wunsch war, dessen Erfüllung nie geschehen würde.

Maranos. Sie sagte, er würde sie rufen. Bei diesem Namen spürte Tharon Hass und Wut. Maranos war nicht bloß wahnsinnig; er war ein Freund von Dämonen und ein Feind aller Elfen. Jene wollte er töten. Rache zehrte ihn aus. Und Kathlynn hatte sein Inneres gesehen. Kurz darauf verschwand sie und Glorianna erschien. Und aus Tharons Hass gegen diese Frau wurde Respekt und tiefe Anerkennung, denn ihr Herz saß auf dem rechten Fleck. Vertrauen.

Die Verdammten aus den Feuern der jenseitigen Welt überfielen den Blauen Turm. Geflügelte Scharen des Chaos bedrängten die Wachen des Elfenlandes, die unterlegen waren gegen die Macht des Suchers, einer Legion böser Seelen, Schlangenwesen und anderen Kreaturen der niederen Welt. Und in ihrer Mitte stand er: Maranos. Er hatte Glorianna bei Thyms Rast gerufen. Sie spürte ihn. Und beim Anblick der dunklen Schar und ihres Anführers Maranos wußte Tharon, dass Glorianna ein großes Opfer bringen würde: Sie würde entschwinden.

Feuer, Blitze und Chaos beherrschten das Land um den Blauen Turm. Dunkler Regen und gottloser Sturm wehten durch das Land, als Tharon und seine Gefährten sich gegen Glorianna stellten. Doch sie konnten alle Dämonen besiegen, während die Elaya die Verdammten vertrieben. Der Kampf gegen Maranos war ungleich blutiger, denn der dunkle Lebaner, der Gebieter über das Chaos am Blauen Turm, er erschien unbesiegbar, als er sich selbst verwandelte in einen insektenartigen Dämonenleib, dessen Bösartigkeit und Macht grenzenlos erschien.

Glorianna hob er empor. Er würgte sie. Sie ließ ihre Waffe fallen und schied beinahe dahin. Tharon und die anderen wollten sie retten. Doch dann redete sie auf ihn ein, schien ihm Bilder zu zeigen, was damals geschah: Nicht die Elfen töteten seine Frau, sondern Räuber. Die Wahrheit schwächte Maranos. Er ließ Glorianna fallen. Tapfer und mutig schlugen nun alle selbstlos auf den entstellten Halbdämon ein. Maranos wurde vernichtet. Aber keiner spürte den Sieg:

Glorianna fiel in einen tiefen Schlaf. Wenige Male erwachte sie noch, schien sich in Tharons Augen zu verabschieden. Sie gab ihm einen Brief an Fhink, der noch immer auf dem Pfad der Selbstfindung war.
Im Blauen Turm kümmerten sich die Elfen dankbar um das Wohlbefinden der Frau, die stets selbstlos war und am Ende sich nicht nur für den Turm oder die Sterblichen opferte: Tharon wußte es; sie opferte sich auch für Maranos' Seelenheil -und für Kathlynn. "Ich bin Kathlynn. Auch sie ist geheilt." Diese Worte kamen nun in Tharons Erinnerungen. Die Zeit war gekommen.

Die Turmherrin versicherte, dass man sich um Gloriannas Heil kümmern werde. Und den Gefährten gab sie ewiges Gastrecht im Blauen Turm, während Träger die schlafende Glorianna in die Gemächer der Heiler brachten.

Sie würde nie wieder aufwachen, nicht in dieser Welt. Kathlynn würde zurückkehren, Glorianna entschwinden. Dass Glorianna stets ein teil Kathlynns war, das hatte Tharon bereits vergessen, als Glorianna ihm eine treue Freundin wurde wie all die anderen tapferen Männer und Frauen. Und der Gedanke, dass beide eins waren, schien nicht zu trösten. Wieder einmal ging ein Gefährte. Und dieses Mal sogar, um einen anderen einzutauschen. Dieser Gedanke machte wahnsinnig.

Alles bestätigte sich innerlich für Tharon, als man ihm eines Tages sagte, Glorianna sei einfach verschwunden. Das war die Wahrheit: Am Ende hatte Glorianna ihre Mission, Kathlynn zu finden, erfüllt.

Und nun?

Tharon ging allein in die Ebenen der Vergessenen. Es war ein passender Ort.

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Beitrag von Tharon » 02 Aug 2005, 16:06

Als er dort Rodod traf, da sprach er nicht von Glorianna. Gerede würde nichts mehr daran ändern, dass sie sterben würde, um Kathlynn ins Leben zu holen. Gemeinsam liefen sie durch die endlos scheinende Ebene, als sie abends schließlich auf Arvid trafen, der zwei Neulinge um sich geschart hatte. Ein Zwerg namens Rangor, den kannte Tharon, und ein Nordmann, der sich als Baldulfr vorstellte.

Rangor sagte, er habe seinen Glauben abgelegt und den des Nordvolkes angenommen. Dies sei der wahre Glaube. So sehr es Tharon erfreute, dass einer die nordischen Götter verehrte, so mißtrauisch machte ihn ein Mann, der seine Herkunft -ob nun nordisch oder nicht- leugnete. Da erinnerte er sich an die Worte der Waräger, wenn es um Rherildan ging: Lieber war ihnen ein aufrechter Bretone, der für seine Ehre und seinen Glauben steht, als ein Bretone oder irgendein anderer, der dies nicht tat. Genau so fühlte und dachte Tharon nun auch.

Noch etwas erinnerte an die Waräger: Baldulfr. Der junge Nordmann war frech, respektlos und gedankenlos in seinen Worten Rodod und ihm gegenüber. Auch Tharon selbst hatte früher keinerlei Respekt gegenüber Wulfus und seinen Mannen. Doch niemals hätte er ihren Glauben angezweifelt. Baldulfr hingegen war schnell darin, ihn und Rodod als Ketzer zu bezeichnen, als sie ihn darauf aufmerksam machten, dass auch die Bretonengötter existierten -sie anzubeten kam für Rodod und Tharon nicht in Frage, aber dass sie da waren, würde selbst ein Waräger nicht leugnen können. Tharon und Rodod, Diener des Thor, fest im Glauben an die Götter des Nordvolkes und an das Volk selbst, wurden also von Baldulfr beleidigt und beschimpft.
Mehr als einmal warnte Arvid seine Speichellecker, sie mögen ihr Maul halten und Rodod und Tharon Respekt zollen. Zu Anfang fühlte Tharon sich belustigt: Es war, als wenn eine Made einem Bären sagen wollte, wie er zu denken habe. Doch nach und nach schaffte dieser kleine Nordmann es, ihn und Rodod zu provozieren. Arvid versuchte, zu schlichten. Und nur die Tatsache, dass Arvid ein enger Freund Tharons war, ließ die Lage sich entspannen.

Zunächst. Er würde Baldulfr keine zweite Chance geben, ihn zu beleidigen. Und es würde sich noch zeigen, wie weit Arvid gehen würde, seine Jünger zu beschützen. Jünger waren sie in der Tat. Denn sie schienen ihm auf Schritt und Tritt zu folgen. Wie Welpen, die ihrer Mutter folgten, weil sie Milch und Wärme bekommen.

Arvid stand aus Tharons Sicht in einem anderen Lichte da. Er hatte sich irgendwie verändert, er spürte es. Etwas war ganz anders. So wie Arvid mit den Jungen redete, schien es, als wenn sie ihm überall hin folgen würden. Tharon dachte an diesen Bjorgar. Arvid hatte mal angedeutet, dieser habe ihn gefragt, ob er seiner Sippe beitreten wolle. Bjorgar hatte Tharon doch noch gesagt, er sei einer der Waräger. Das konnte nur eine Lüge gewesen sein.
Also scharte Arvid entweder Sipplinge für diesen Bjogar um sich oder er er selbst hatte es darauf abgesehen, Hetmann zu werden. Nun, Arvid war geeignet. Das war unbestritten. Doch jene, die sich nun wie Fliegen auf Scheisse um ihn scharten, jene waren Tharon ein Dorn im Auge. Der mußte entfernt werden.

Die Gedanken und die Wanderung beendet, reiste er zurück nach Bredorf, um nach Neuigkeiten zu suchen.

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Beitrag von Tharon » 04 Aug 2005, 16:01

Die Neuigkeiten ließen wie immer nicht allzu lang auf sich warten. Gerade noch saß Tharon gemeinsam mit Ashimar im Einsamen Wanderer. Er berichtete Ashimar von seinen Gedanken, seinen Empfindungen der letzten Zeit: Alles war nun kompliziert. Er wünschte, er könnte Ashimar sagen, dass es nicht mehr viel braucht, um aus dem Nordmann Tharon ein Ungeheuer zu machen. Zuviel war geschehen. Und gerade als Tharon sich daran erinnerte, dass er einst den Rest einer Unterhaltung vernahm, die Sulva'Irn mit den anderen über ihn führte, da kam Eldorian herein. Gern hätte Tharon noch gesagt, dass er Sulvas letzten Satz hörte: "Es ist tief in ihm." Sie hatte Recht. Doch nun brach Tharon selbst die Unterhaltung mit Eldorian ab. Man redete kurz über die Ereignisse der letzten Zeit, darüber dass Gloriannas Schlaf ein ewiger werden würde, als jemand die Treppen hinab stieg. Eine junge nicht sehr große Frau, eine Bretonin. Sie trug braune leichte Kleidung und einen ebenso erdbraunen Umhang. Sie trug das, was sie früher schon trug. Sie war wie früher. Sie hatte keine Erinnerungen an das, was Glorianna erlebte. Sie wußte nur noch zu sagen, dass Glorianna sie in die Welt geleitete, während sie selbst in den Nebeln verblieb, aus denen die junge Frau nun wieder entkommen konnte: Es war Kathlynn.

Eldorian spuckte sein Getränk durch den halben Schankraum, während Ashimar langsam aufstand. Gerade er und Tharon hatten diesen Moment erahnt, waren weniger überrascht als Eldorian. So erhob sich auch Tharon und begrüßte Kathlynn, die von Eldorian lange umarmt wurde.
Die Gefährten berichteten der verwirrten und überraschten Kathlynn von allem, was geschehen war. Denn sie selbst erinnerte sich nur an jenen letzten Abend, den sie mit Urz, Eldorian und ausgerechnet Maranos verbrachte.
Sie fragte nach Arilana und den anderen. Dann erfuhr sie vom Tode Rherildans und Drogars. Sie sah die Verletzungen in Tharons Gesicht. All dies und die veränderte Welt verwirrten sie, denn für sie waren erst Tage vergangen, während Glorianna ja Monate unter den Gefährten weilte.
Schließlich wanderten die Gefährten ein wenig umher, bis Kathlynn aus verständlichen Gründen ein wenig allein sein wollte. Artim Mudden war glücklich, seine Tochter wieder in seine Arme schließen zu können.

Tharon war sehr zufrieden. Dennoch verspürte er Trauer wegen Glorianna. Er dachte daran, wie wütend er war auf diese Frau. Denn in seinen Augen hatte sie Kathlynn verdrängt. Doch nach und nach wandelten sich Wut und Ärger in Vertrauen und Freundschaft. Nun war Glorianna fort. Endgültig. Das Schicksal hatte wieder seinen erbarmungslosen Lauf genommen, schien es ihm. So beschloss er, noch an diesem Abend ein langes Gebet für Gloriannas Seele zu sprechen. Es war ihm klar, dass Glorianna und Kathlynn die gleiche Frau waren, vielleicht zwei Seiten, die in einem Leib stecken. Aber trotzdem dies so war, empfand er es anders. Glorianna war lebendig wie Kathlynn. Und die eine kann nur sein, wenn die andere schläft. So war es, so ließ es sich nicht ändern.
Nach dem Gebet empfand er nur noch Zufriedenheit, denn Glorianna hatte ihr Ziel erreicht: Finde Kathlynn. Am Ende ihrer Reise hatte Glorianna mehr Größe bewiesen als man ihr zugetraut hätte, denn sie opferte sich für Kathlynns Leben und Anwesenheit in der wirklichen Welt. Und Kathlynn hatte es verdient, das stand fest. So würde er Kathlynn nun nicht mehr mit den Augen eines gewissermaßen älteren und erfahreneren Waffenbruders sehen, sondern als Trägerin von viel Mut und Ehre, die man Glorianna nannte.
Kathlynn war zurück. Und das war gut. Das war richtig.

Maranos besiegt. Radulf erlöst. Doch die Mörder Drogars liefen noch frei herum. Tharon hatte Alelile Tagan dort versteckt, wo auch die Eltern Gardems sich vor Lothoann in Sicherheit fühlten. Ab und zu ging Tharon zum Versteck, um nach den Rechten zu sehen. Dies tat er am späteren Abend wieder. Zufrieden ging er davon, als er alle drei in Sicherheit befand.

Düstere Gedanken. Was wäre, wenn die Mörder Drogars die gleichen waren, die einst Radulf dienten, um Rherildan zu töten? Diese schwarzen Gestalten schienen zahllos und gewiß hatte Tharon nicht alle von ihnen erwischt. War es eine neue Söldnerbande oder Meuchler, die wie die Rabenschwingen ihre Dienste gegen Gold taten? Und hatte dieser Schattenschlag damit zu tun?
Wie auch immer: Den gegenwärtigen und kommenden Bedrohungen konnte man nur entgegentreten, wenn man einig war. Das Nordvolk hatte einen Hetmann, sicher. Dennoch begegneten Tharon immer wieder Nordleute, welche einzelgängerisch wie er selbst waren. Selten besuchten sie Nordstein, er selbst war auch lange nicht mehr da. Das mußte sich ändern. Stärke war gefragt. Für alle.

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Beitrag von Tharon » 06 Aug 2005, 20:47

Der Moment hätte nicht passender sein können: Nur kurze Zeit später traf Tharon auf Donar. Bei ihm standen Arvid und sein Hündchen Baldulfr. Auch Eldorian gesellte sich dazu, nachdem Donar und Tharon ein paar Floskeln ausgetauscht hatten.
Donar beobachtete wohl, wie Tharon mit dem jungen Baldulfr umging, dessen Verhalten er weder vergessen noch verziehen hatte und vielleicht auch niemals würde.

Später dann berichtete Donar ihm dann von seinen Plänen, die er hatte. Pläne, welche die Waräger, Tharon selbst und das ganze Volk der Nordleute betrafen. Als Donar ihm dann noch ein düsteres Geheimnis anvertraute, bereute Tharon es trotzdem nicht, zuvor noch seine Hand gehalten zu haben.

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Beitrag von Tharon » 07 Aug 2005, 12:05

Schon kurze Zeit später sollte sich zeigen, wie man nun gemeinsam auf eine recht eigenartige Situation reagieren würde:
Iallai nannte sich der seltsame Kopfgeldjäger, der auf Arvid angesetzt wurde. Als Tharon, Arvid, Donar, Zardan und zwei Zwerge namens Gillion und Thorm diesem Kerl begegneten, da bot er Arvid an, ihm freiwillig zu folgen. Obschon gerade Tharon und Donar es Arvid ausreden wolltenund kurz davor waren, den Fremden anzugreifen, zeigte Arvid unerwartete Einsicht. So verschwand er gemeinsam mit Iallai.
Fünf Tage später...
Arvid kehrte zurück. An seinem Hals hing eine Kette, an der ein schwarzer Ring befestigt war -angeblich ein Zeichen dafür, dass er nicht mehr gejagt wurde. Iallai war bei ihm, und die beiden benahmen sich wie die besten Freunde. Arvid berichtete, dass er von Haus Torbrin gesucht wurde; angeblich hatte er vor langer Zeit die Tochter des Hauses beglückt -ohne jedoch zu wissen, mit wem er es zu tun hatte. Dies war für Torbrin gut genug, ein derartiges Gewese zu veranstalten?
Ein Vorsprechen bei einem Vertreter des Hauses ergab rein gar nichts. Ein seltsamer Vorfall, wohl erst der Anfang.

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