Das Tagebuch hatte er weggelegt. Es war so viel passiert, während des des letzten Eintrages, dass er kaum noch Zeit hatte, ausführlich darüber zu schreiben. Mit der Ernennung zum Lethos war eine Welle von Ereignisse ausgelöst worden und über ihn hereingebrochen, die momentan auswegslos erschienen. Aber immer wieder durchzog ihn dieser eine Gedanke: Nichts passiert ohne Grund.
Er war Pytharas und ist Cyrian. Wer ist der andere, der mit in seinem Körper lebt, der Fremde oder ist es das Fremde in mir, dachte Cyrian, als er sich eine frische Robe überzog und danach in den Spiegel blickte.
Die Verabschiedung von Hellena war kurz gewesen. Sie hatten unterwegs nicht viel miteinander geredet. Zu tief saßen die Eindrücke der Zeitreise.
Viele Novizen sahen Cyrian merkwürdig an, wie er da von Schmutz überzogen vom Pferd gestiegen war, die Robe des Lethos und der Stab dessen waren befleckt von getrocknetem Blut.
Blut der Hun und Blut der Dienerwesen.
Aber es war nicht nur dieser Eindruck, den er hinterlassen hatte. Das Fremde in ihm hatte sich wohl schon herumgesprochen.
Der Lethos kämpfte an vorderster Front nicht mehr nur in Glaubensfragen. Jetzt waren es Fragen nach der eignen Existenz mit denen er zu kämpfen hatte und seinen Glauben auf eine harte Prüfung stellten.
In drei Monaten würde er den König töten müssen für den Bau der Maschine. Eine Sternenkonjuktion war hierfür notwendig und der Ort. Die Insel des Himmelseisens.
Die Abzweigung, die sich nun aufgetan hatte und zwei Wege offenbarte, würde die Zukunft bestimmen.
Das Bündnis mit den dunklen Alten führte zu dem, was er einmal von Amdir zu sehen bekam und einmal nun während der Versammlung. Es führte zur Eroberung Tectarias und einem Krieg gegen die Hun, der sie in die Arme des vermeintlichen Bündnispartners trieb, als der das Bündnis aufhob mit der Errichtung der Maschine in Lüd
Der andere Weg war der Weg der Hun und anderer Bündnispartner, die die Allianz verlassen hatten. Eine offene Feldschlacht gegen die dunklen Alten. Mit der Konsequenz, dass die Tectarier die Umstände für eine Invasion nutzen konnten, was das Ende der Bretonen bedeuten könnte.
Bretonen waren abtrünnige Tectarier. Liranus von Breton hatte es zwar einst gegeben, aber er war nicht derjenige, der das Land in Besitz nahm. Mittlerweile waren für Cyrian diese Hintergründe irrelevant. Was zählte, war, dass Bretonia gegründet wurde und existierte. Denn der eigentliche Umstand dafür war eine Vision Liranus', die ihm von zwei Engeln Amurs gesandt worden war. Waren vielleicht die Bretonen das auserwählte Volk, zu etwas höherem berufen, als es bisher den Anschein hatte und nicht die Hun, die dies immer für sich beanspruchten.
Cyrian sah auf die Pläne und die Übersetzung der Keilschrift. Er hatte diese Zeichen selbst geschrieben und die Hun waren über den Wortlaut ebenso überrascht gewesen, wie er selbst: "Oh, Diener der Wüste und Amurs, reiner Mann im Herzen und Herr über einen Thel'Ein, der auch Herr über Deine Seele ist wie Amur es geheißen hat und wir es preisen. Vom Kopf des Löwen her blicke in die Pfade des Himmels und schaue, was dort wartet."
Cyrian war demnach einer der Propheten Amurs, wie es Nashkul einmal formulierte, aber dieser Teil mit dem Thel'ein war ihm bisher gar nicht so bewusst gewesen. Wie sahen die Fremden eigentlich aus? Darüber gab es gar keine Aufzeichnung, denn sie bedienten sich nur eines Körpers, waren also eigentlich Wesen aus reiner Energie, körperlos, astral, denn sonst würden sie nicht ein Ecaloscop benutzen, das ihnen Zugang zu dieser Welt gewährte.
Liranus ließ früher auch ein Ecaloscop der Diener des Meeres in den Süden des neuen Kontinents schaffen. Gibt es hier eine Analogie? In Samariq soll es einmal dutzende dieser Geräte gegeben haben. Waren die Fremden früher nicht so fremd, wie es heute erscheint?
Immer wieder schaute er auf den Plan der Maschine. Sie kann alles, hatte Amdir geschrieben. Alles. Sie war demnach ein Gott. Ich habe sie immer gebaut und werde sie immer bauen, sagte der Fremde auf der Insel, denn ich sei die Konstante, egal, was geschah, mein Wirken würde immer das gleiche bleiben. Immer und immer wieder. Akashazyklus.
Lernen solle Maestlin sagte der Schwarm. Lernen von Akasha, um vielleicht zurück zu kehren.
Akasha. Eine Entität wie der Schwarm? Tetraktys. Die Vierheit nannte ich einst den Schwarm, die universelle Harmonie. Sigmoidäum nannte ihn Maestlin. Viele kleine Teile, die die Summe des Ganzen bilden.
Akasha + Schwarm = Existenz
Cyrian schaute auf die Worte, die er zu Papier gebracht hatte, zusammenhangslos.
Fragmente - Gedanken und Ereignisse
Widerstand gegen das Unausweichliche? Klammberg hatte eine der möglichen Formen der Zukunft gesehen. Aber er musste doch selbst gewusst haben, dass die Quelle der Zukunft in der Gegenwart lag. War er sich so sicher, dass genau diese Zukunt eintreten würde, die er gesehen hatte und auf derer Basis er den Mechanismus baute, der die Stadt Bretonia in einem Inferno zum Untergang verurteilte?
Cyrian war sich dessen nicht sicher, was eigentlich passieren sollte oder geschehen würde, aber eines war sicher, die Zerstörung Bretonias musste aufgehalten werden.
Klammberg selbst hatte eine Hintertür offen gehalten. Gut vesteckt, umwoben von Rästeln ließ er Hinweise auf ein Archiv namens die Kerze erscheinen, die dazu führten, dass sie sich zum Felsenmeer aufmachten und dort zum alten Kloster gingen, dort, wo nun Ymir residierte, der Herr der Riesen und Erschaffer der Elementarsiegel.
Das Gespräch mit Ymir verlief in eine gute Richtung, dank Kindrons und weil Ymir selbst auch nicht an einer Dominanz der dunklen Alten interessiert war. Cyrian gab ihm sein Versprechen, dass Ymir und die Riesen in Zukunft das Felsenmeer als ihr Land beanspruchen sollten, wenn alles vorbei war, dies war das erste, was der König (der Neue oder die Königin?) erfahren musste. Im Gegenzug erklärte sich Ymir bereit gegen die dunklen Alten zu helfen. Er würde den Angriff auf den Wachturm in der Ebene der Vergessenen unterstützen. Weiterhin gab er den Hinweis, wo sich das Archiv befinden musste.
Das Archiv selbst war durchzogen vom Nebel des Mathricodon. Leichen der Diener des Meeres, die nur zum Teil körperlich auf dieser Welt existierten, lagen verstreut auf dem Boden. Sie fanden einen Raum, der einem Labor ähnlich war. In ihm befand sich ein Automat, der mitten in der Bewegung erstarrt war, so wie einige Eier von ungeheurer Größe. Seltsam waren auch die Kessel mit merkwürdigen Flüssigkeiten, eine Ansammlung von Kristallen und vier Artefakte, die sich im Raum befanden: Eine Maske, ein Stab, eine Flüssigkeit und ein Spiegel.
Ein Kristall, der in der Brust des Automaten platziert wurde, versetzte diesen wieder in Bewegung. Meothan war sein Name.
Meothan erzählte von den "Versetzungsversuchen" die hier durchgeführt wurden, vor langer Zeit. Die Versetzung war auch die einzige Möglichkeit das Archiv "Die Nacht" mit ihrem unheilvollen Mechanismus von dieser Welt weg zu bewegen und zum Teil des Mathricodons zu machen.
Meothan erwähnte auch Mystan den anderen Automaten, den Bewacher von Liranus.
Mystan war nun zur Manifestation einer tödlichen Plage geworden. In ihrem Drang nach den Informationen über die Koordinaten Tectarias, hatten sie Mystan dieses Geheimnis entlocken wollen. Er gab die Information preis, aber damit auch die unsichtbare Plage, die sich nun immer weiter durch Tal Beltain fraß, der kalte Brand, der dunkle Glanz, des schwarzen Himmeleisens. Alles Leben wurde dadurch krank und verendete. Maestlin hatte etwas finales als Sicherung bei Mystan eingebaut, was verhindern sollte, dass jemals eine Rückkehr nach Tectaria stattfinden würde. Die Gestrandeten waren damals auch an dem dunklen Glanz gestorben, als sie auf der Insel des Himmelseisens Schiffbruch erlitten. Die Fremden waren immun dagegen. Cyrian stutzte kurz, Tharon und dieser Magier, den er mittlerweile in den Schoß Lebans wünschte, wurden durch den dunklen Glanz geschwächt, er aber nicht.
Meothan sagte, dass es eine Heilung gäbe. Eine Heilung, die sich auf Marjastika befand, jener sagenumwobenen Insel und er wisse die Koordinaten dorthin. Marjastika war nicht nur deswegen in das Zentrum von Cyrians Aufkermsamkeit gerückt, sondern auch, weil sich noch eine Linie der Ereignisse auf sie zu bewegt hatte. Die Geburt eines Kindes, einer Prinzessin. War sie die Tochter einer der Nachfahren Liranus, Nachfahrin Eldorians, Liranus Sohn? Dann gäbe es doch noch Hoffnung für die Bretonen und die Lüge hätte ein Ende.
Als sie das Archiv verlassen hatten, nahm Kindron Meothan mit zu den Wichten. Cyrian musste schmunzeln bei diesem Gedanken.
Die Zeit drängte und es war immer noch keine Lösung in Sicht, wer die Versetzung durchführen würde, denn für denjenigen war die Versetzung auch der endgültige Abschied von dieser Welt. Er würde dort verharren, im Archiv, im Mathricodon, ohne Hoffnung auf Rückkehr.
Cyrian sah in die Kerze und beobachtete die tanzende Flamme. Er hatte sich nicht um die Rolle des Lethos gedrängt, der, der das Gleichgewicht symbolisierte. Diese Rolle lastete mittlerweile sehr schwer auf ihm, denn die Menschen brauchten Hoffnung und er wusste nicht, ob er sie ihnen geben konnte, denn er selbst war auch nur ein Mensch. Ein Mensch der Fehler machte. Ein Teil von ihm war keiner, aber das hatte er mittlerweile akzeptiert. Koexistenz. Ingeheim hoffte er aber, dass der Fremde in ihm auch weiterhin ihre Existenz als solche begriff, denn Cyrian hatte gesehen was passieren konnte. Der König war der lebende (noch?) Beweis dafür.
Der König und seine neuen Verbündeten hatten die Abtei ausgelöscht. Den Widerstand wollten sie vernichtend treffen, aber stattdessen wuchs der Groll in der Bevölkerung gegen den König und die dunklen Alten. Kurz waren sie in Gefangenschaft geraten und sollten an Tectaria übergeben werden, was seinerseits dafür einen Waffenstillstand anbot. Nach der Flucht kehrte Cyrian zur Abtei zurück. Besetzt von Truppen der dunklen Alten war sie. Niemand wusste, was aus den Brüdern und Schwester, insbesondere Bruder Aldwyn und Bruder Ascanio geworden war. Wieder hatte es viele Tote gegeben. Schuldgefühle plagten ihn wieder, als er die Zeilen schrieb, hätte er sich vielleicht doch stellen sollen? Aber das schien nicht der Plan zu sein, denn sein Schicksal war noch nicht beendet, Cyrian hatte noch viel zu tun, wie ihm immer wieder von verschiedenen Seiten gesagt wurde. Der Zyklus der Zeit schien noch nicht beendet zu sein.
Der Schwarm hatte ihm die vier Artefakte gerbacht, die Tharon kurz vor dem Angriff auf die Abtei im Brunnen versenkt hatte. Nun lagen sie hier. War dies wieder ein Hintertürchen Klammbergs? So viel er nun wusste, kannten die Fremden das Mathricodon, oder waren sogar ein Teil von ihm, wie er die Worte des Fremden interpretierte. Sie benötigten eine Hülle, um körperlich zu existieren. Wäre es möglich, dass die Artefakte nicht nur dazu dienten, dass der Mechanismus versetzt wurde, sondern auch die Hülle schützten, wenn der Fremde das Archiv im Mathricodon verlassen wollte?
Cyrian legte die Schreibfeder aus der Hand und sah auf die vielen Zeilen, die er geschrieben hatte. Heute würden sie es vielleicht herausfinden, aber eine der sieben Personen, die einen Fremden beherbergte wäre demnach die beste Wahl, den Mechanismus zu versetzen. Aber wer?
Cyrian war sich dessen nicht sicher, was eigentlich passieren sollte oder geschehen würde, aber eines war sicher, die Zerstörung Bretonias musste aufgehalten werden.
Klammberg selbst hatte eine Hintertür offen gehalten. Gut vesteckt, umwoben von Rästeln ließ er Hinweise auf ein Archiv namens die Kerze erscheinen, die dazu führten, dass sie sich zum Felsenmeer aufmachten und dort zum alten Kloster gingen, dort, wo nun Ymir residierte, der Herr der Riesen und Erschaffer der Elementarsiegel.
Das Gespräch mit Ymir verlief in eine gute Richtung, dank Kindrons und weil Ymir selbst auch nicht an einer Dominanz der dunklen Alten interessiert war. Cyrian gab ihm sein Versprechen, dass Ymir und die Riesen in Zukunft das Felsenmeer als ihr Land beanspruchen sollten, wenn alles vorbei war, dies war das erste, was der König (der Neue oder die Königin?) erfahren musste. Im Gegenzug erklärte sich Ymir bereit gegen die dunklen Alten zu helfen. Er würde den Angriff auf den Wachturm in der Ebene der Vergessenen unterstützen. Weiterhin gab er den Hinweis, wo sich das Archiv befinden musste.
Das Archiv selbst war durchzogen vom Nebel des Mathricodon. Leichen der Diener des Meeres, die nur zum Teil körperlich auf dieser Welt existierten, lagen verstreut auf dem Boden. Sie fanden einen Raum, der einem Labor ähnlich war. In ihm befand sich ein Automat, der mitten in der Bewegung erstarrt war, so wie einige Eier von ungeheurer Größe. Seltsam waren auch die Kessel mit merkwürdigen Flüssigkeiten, eine Ansammlung von Kristallen und vier Artefakte, die sich im Raum befanden: Eine Maske, ein Stab, eine Flüssigkeit und ein Spiegel.
Ein Kristall, der in der Brust des Automaten platziert wurde, versetzte diesen wieder in Bewegung. Meothan war sein Name.
Meothan erzählte von den "Versetzungsversuchen" die hier durchgeführt wurden, vor langer Zeit. Die Versetzung war auch die einzige Möglichkeit das Archiv "Die Nacht" mit ihrem unheilvollen Mechanismus von dieser Welt weg zu bewegen und zum Teil des Mathricodons zu machen.
Meothan erwähnte auch Mystan den anderen Automaten, den Bewacher von Liranus.
Mystan war nun zur Manifestation einer tödlichen Plage geworden. In ihrem Drang nach den Informationen über die Koordinaten Tectarias, hatten sie Mystan dieses Geheimnis entlocken wollen. Er gab die Information preis, aber damit auch die unsichtbare Plage, die sich nun immer weiter durch Tal Beltain fraß, der kalte Brand, der dunkle Glanz, des schwarzen Himmeleisens. Alles Leben wurde dadurch krank und verendete. Maestlin hatte etwas finales als Sicherung bei Mystan eingebaut, was verhindern sollte, dass jemals eine Rückkehr nach Tectaria stattfinden würde. Die Gestrandeten waren damals auch an dem dunklen Glanz gestorben, als sie auf der Insel des Himmelseisens Schiffbruch erlitten. Die Fremden waren immun dagegen. Cyrian stutzte kurz, Tharon und dieser Magier, den er mittlerweile in den Schoß Lebans wünschte, wurden durch den dunklen Glanz geschwächt, er aber nicht.
Meothan sagte, dass es eine Heilung gäbe. Eine Heilung, die sich auf Marjastika befand, jener sagenumwobenen Insel und er wisse die Koordinaten dorthin. Marjastika war nicht nur deswegen in das Zentrum von Cyrians Aufkermsamkeit gerückt, sondern auch, weil sich noch eine Linie der Ereignisse auf sie zu bewegt hatte. Die Geburt eines Kindes, einer Prinzessin. War sie die Tochter einer der Nachfahren Liranus, Nachfahrin Eldorians, Liranus Sohn? Dann gäbe es doch noch Hoffnung für die Bretonen und die Lüge hätte ein Ende.
Als sie das Archiv verlassen hatten, nahm Kindron Meothan mit zu den Wichten. Cyrian musste schmunzeln bei diesem Gedanken.
Die Zeit drängte und es war immer noch keine Lösung in Sicht, wer die Versetzung durchführen würde, denn für denjenigen war die Versetzung auch der endgültige Abschied von dieser Welt. Er würde dort verharren, im Archiv, im Mathricodon, ohne Hoffnung auf Rückkehr.
Cyrian sah in die Kerze und beobachtete die tanzende Flamme. Er hatte sich nicht um die Rolle des Lethos gedrängt, der, der das Gleichgewicht symbolisierte. Diese Rolle lastete mittlerweile sehr schwer auf ihm, denn die Menschen brauchten Hoffnung und er wusste nicht, ob er sie ihnen geben konnte, denn er selbst war auch nur ein Mensch. Ein Mensch der Fehler machte. Ein Teil von ihm war keiner, aber das hatte er mittlerweile akzeptiert. Koexistenz. Ingeheim hoffte er aber, dass der Fremde in ihm auch weiterhin ihre Existenz als solche begriff, denn Cyrian hatte gesehen was passieren konnte. Der König war der lebende (noch?) Beweis dafür.
Der König und seine neuen Verbündeten hatten die Abtei ausgelöscht. Den Widerstand wollten sie vernichtend treffen, aber stattdessen wuchs der Groll in der Bevölkerung gegen den König und die dunklen Alten. Kurz waren sie in Gefangenschaft geraten und sollten an Tectaria übergeben werden, was seinerseits dafür einen Waffenstillstand anbot. Nach der Flucht kehrte Cyrian zur Abtei zurück. Besetzt von Truppen der dunklen Alten war sie. Niemand wusste, was aus den Brüdern und Schwester, insbesondere Bruder Aldwyn und Bruder Ascanio geworden war. Wieder hatte es viele Tote gegeben. Schuldgefühle plagten ihn wieder, als er die Zeilen schrieb, hätte er sich vielleicht doch stellen sollen? Aber das schien nicht der Plan zu sein, denn sein Schicksal war noch nicht beendet, Cyrian hatte noch viel zu tun, wie ihm immer wieder von verschiedenen Seiten gesagt wurde. Der Zyklus der Zeit schien noch nicht beendet zu sein.
Der Schwarm hatte ihm die vier Artefakte gerbacht, die Tharon kurz vor dem Angriff auf die Abtei im Brunnen versenkt hatte. Nun lagen sie hier. War dies wieder ein Hintertürchen Klammbergs? So viel er nun wusste, kannten die Fremden das Mathricodon, oder waren sogar ein Teil von ihm, wie er die Worte des Fremden interpretierte. Sie benötigten eine Hülle, um körperlich zu existieren. Wäre es möglich, dass die Artefakte nicht nur dazu dienten, dass der Mechanismus versetzt wurde, sondern auch die Hülle schützten, wenn der Fremde das Archiv im Mathricodon verlassen wollte?
Cyrian legte die Schreibfeder aus der Hand und sah auf die vielen Zeilen, die er geschrieben hatte. Heute würden sie es vielleicht herausfinden, aber eine der sieben Personen, die einen Fremden beherbergte wäre demnach die beste Wahl, den Mechanismus zu versetzen. Aber wer?
Vergangenheit - Hier
Ich winkte den Schiffen hinterher, die langsam am Horizont verschwanden. Das Meer glitzerte und nur kleine Wellen umspülten den Steg, an dem vor kurzem noch das Schiff meiner Freunde gelegen hatte. Tharon hatte ich eines meiner Insignien, die Tiara des Lethos mitgegeben, damit sie erhalten blieb. Während ich weiter auf das Meer blickte und meinen Freunden viel Glück bei ihrer Reise wünschte, kamen mir wieder Begrifflichkeiten über Zeit, Raum und alternative Realitäten in den Sinn: Erinnerungen an Gespräche mit Valverian und Maestlin und an das, was noch vor mir lag.
Stundenlang hatte ich mich mit dem Elaya Valverian über das Element Zeit unterhalten und mit ihm Hypothesen diskutiert, die ich sogar schon einmal in einem Buch als Pytharas niedergeschrieben hatte. Damals war es mir nur noch nicht bewusst gewesen. Es war schon seltsam, wie ein anderes Bewusstsein sich denselben Körper teilen konnte. Bewusstsein und Körper waren auch die Elemente über die ich mit Maestlin gesprochen hatte. Maestlin war ein Genie, wenn auch mit einem fragilen Geist, aber seine Ideen und Sichtweisen über die Zeit und Metawissenschaften waren außergewöhnlich. Während dieser Gespräche reifte in mir ein Plan, den ich mit Maestlin bei Wein und Brot lange Abende in der Küche der Abtei diskutierte. Es ging um Fixpunkte in der Zeit und die mögliche Überschneidung alternativer Realitäten. War es möglich, ein Abbild von sich zu erzeugen, wenn sich Realitäten überschnitten, um so bewusst die eigene Existenz weiterzuführen?
Bei Kerzenschein saßen wir zusammen, sogar noch, als die Glocken zur Frühmesse läuteten. Wir schrieben Formeln auf Pergamente und fertigten Zeichnungen an. Oft bat ich Ascanio als meinen Vertreter, dass er die Messe halten möge. Er und auch einige Mönche begannen sich, um mich zu sorgen, aber ich versicherte ihnen, dass dies ein vorübergehender Zustand sei. Alles würde sich ändern, wenn der Bau des Tempels abgeschlossen sei, wenn endlich Frieden entstehen könnte. Wenn endlich wieder ein Gleichgewicht im Kosmos herrschte. Unvergiftet vom Einfluss einer Maschine, die die Kraft und Möglichkeiten eines Gottes hatte, aber auf der Suche war nach dem Sinn seiner eigenen Existenz, seiner Seele.
Die Frage nach dem Sinn der eigenen Existenz war auch zentral für mich geworden, als ich weiter am Tempel plante. Die Begegnung mit meinem Sohn (?) ließ mich daran zweifeln, dass mit der Vollendung des Tempels auch mein Weg sein Ende finden würde.
Wie besessen arbeitete ich an einem neuen Weg, eine Abzweigung, um den Fluss der Zeit für mich nutzbar zu machen. Die Möglichkeit, die ich als Theorie in Betracht gezogen hatte, arbeitete mit der Annahme, dass es immer ein Abbild unserer eigenen Realität gab, ein Spiegelbild. „Nairyc“ hatte damals das Wesen auf der Brücke gesagt. Eines der Wesen, welches ich mit dem Seelenspiegel in Verbindung gebracht hatte. Der Seelenspiegel, der Tempel, die Elementarknoten, ich als Fixpunkt und die Zeit als Variable waren die Elemente für die Formel, die es zu entwickeln galt.
Aber mit wem sollte ich darüber sprechen? Valverian war verschwunden und Maestlin war zu Akasha gegangen, so wie er es sich immer gewünscht hatte. Ich war mit diesen Überlegungen allein mitten in einer Zeit, in der alles in Begriff war, sich zu verändern.
Wenn ich keine Berechnungen durchführte, begann ich, meine eigenen Aufzeichnungen, Bücher und Papiere zu kopieren. Mein Wissen wollte ich für mich selbst erhalten. Denn wie würde ich sein und mit welchem Wissen, wenn es funktionierte?
Mein Rücken schmerzte als ich mich auf dem Steg umdrehte. Das Laufen war beschwerlich geworden. Mein Körper alterte um Jahre in Stunden und Minuten. Ich stützte mich auf meinen Stab, der ein klopfendes Geräusch auf den Holzplanken erzeugte, als ich mich mit seiner Hilfe vom Steg hoch zum Tempel bewegte. Meine Schritte wurden immer beschwerlicher, als ich die steinernen Treppenstufen erklomm. Oben angekommen sah ich inmitten des Tempels die Rose und das Licht, das mich zu sich rief. Der Zeitpunkt war da. Die Sonne stand richtig. Ich durfte die Konstellation nicht verpassen. Ich warf den Stab beiseite und begann, ohne ihn los zu humpeln, zu laufen, zu rennen, bis ich das Licht erreichte. Es umhüllte mich, blendend, wärmend und wie von weiter Ferne konnte ich ein klirrendes Geräusch vernehmen.
Vergangenheit - Dort
Unter uns tobte die Schlacht. Knochige und halb verweste Wesen, teils menschlich und teils dämonisch bildeten Schlachtreihe umd Schlachtreihe gegen die anstürmenden Horden des Feindes aus der Finsterschlucht. Erdtitanen so groß wie mehrere Häuser lieferten sich Zweikämpfe mit den Megalotheren der dunklen Alten. Die Nekromanten Lebans hatten viel zu tun, um die Gefallenen beider Seiten wieder zu reanimieren, um so unsere Reihen wieder aufzufüllen. Zusammen mit den Kriegsmagiern der Akademie bildeten wir Kleriker unser beider Religionen das Rückgrat der Allianz, denn wir konnten es uns nicht mehr leisten, unsere lebenden Soldaten in die Schlacht zu schicken. In den Jahren des Krieges hatten wir solche hohen Verluste erlitten, dass das Leben einen unschätzbar hohen Wert bekommen hatte. Die Kirche des Liras hatte ihre Priester dazu bewogen, den Weg des Zorns in den Mittelpunkt zu stellen und nicht mehr den der Heilung. Wer sollte auch geheilt werden? Der Krieg wurde nur noch mit Magie und göttlicher Kraft geführt. Immer wieder konnte keine Seite einen entscheidenden Vorteil erringen. Den einen Tag drängten wir die dunklen Alten zurück, den anderen Tag standen sie kurz vor Bretonia Immensis. Ein seltsames Gleichgewicht war über die Jahre entstanden.
Unterhalb Bretonias hatten wir seltsame Katakomben entdeckt, die mit Lava durchsetzt waren. Zusammen mit der hohen Luftfeuchtigkeit hatten es die Animisten der Kelten geschafft, hier Pilzkulturen zu etablieren, die nun unser Hauptnahrungsmittel bildeten. Oben war das Land karg und öde geworden. Schwarze Erde. Die Konsequenz davon war, dass die Menschen nach Bretonia flohen und Bretonia war gewachsen. Als Beispiel hierfür sei nur zu erwähnen, dass Burg Hohenfels ein Teil der neuen Stadtmauer geworden war, ein Wachturm und der große Fluss verlief nun mitten in der Stadt. Die Erdelementare der Theurgen hatten ganze Arbeit geleistet. Bretonia Immensis nannte manche unsere Stadt, in der nun nicht mehr nur Bretonen lebten.
Oft schon hatte ich mich gefragt, was das Ziel dieses Krieges eigentlich sei. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass unser Feind uns etwas mitteilen wollte. Aber das war momentan unwichtig.
Meine Greifenschwadron zog vom Schlachtfeld ab. Wir waren zu sechst mit unseren Greifen: Fünf Paladine des Liras und ich als anführender Kleriker. Die Schwadron sollte eine Schleife über der Ebene der Vergessenen fliegen, um Truppenbewegungen zu beobachten und um Quentar des Feindes abzufangen. Keine leichte Aufgabe, denn die Quentar des Feindes waren ebenso wachsam wie effektiv. Ich gab das Zeichen, dass wir die Greifen in höher gelegene Wolkenschichten leiten sollten. Plötzlich hörte ich hinter mir das Geräusch vom Schlagen ledriger Schwingen. Ich zog Aquilinius zurück und drei Quentar umkreisten uns. Die Wesen begannen zu kreischen, als Liras’ Kraft um mich herum aufblitzte. Noch nie war der Lichtlblitz so hell gewesen. Ich hatte Mühe mich auf Aquilinius zu halten. Dann zersplitterte etwas, irgendwo.
Vergangenheit - Irgendwo
Er hat es also tatsächlich getan, dachte der Rotberobte und schaute in die Unendlichkeit der sich reflektierenden Spiegel. Er war einer derer, die die Zeit kannten, wie auch Valverian.
Zerbrach ein Spiegel war dies ein Zeichen dafür, dass ein Ereignis diese Realität veränderte. Die Splitter arrangierten, formten sich dann neu, ein neuer Spiegel entstand.
Nun waren zwei Spiegel gleichzeitig zerbrochen, auch das war noch nichts Außergewöhnliches. Außergewöhnlich war die Neuformation: Zwei kleine Splitter aus den beiden verschiedenen Spiegeln verschmolzen und formten sich in einem Spiegel neu. Es waren winzige Splitter, aber er erkannte mit einem seltsamen Lächeln das Gesicht Cyrians.
Dann sah er sich den neu entstandenen Spiegel genauer an: Der Rosentempel war zu sehen, der Exodus. Er formte eine Zeitlinie für diesen Spiegel und sah einen blutigen Erbfolgekrieg auf dem Kontinent und den Kampf gegen Lazarus auf Blyrtindur, wie dies auch in anderen Realitäten geschah. Trotzdem gab es ein kleines Detail: Cyrian von Vitrearius in Kettenrüstung und mit einem Greifen, ohne Robe des Lethos und jung an Jahren.
Frühe Vergangenheit - Hier
Lichter tanzten um mich herum, als ich die Augen aufschlug. Es war dunkel und ich konnte den Wind hören, wie er durch die Blätter rauschte. Ich lag auf dem Rücken inmitten einer Lichtung, wo Irrlichter tanzten. Dazwischen stand Aquilinius, der mich musterte und dann schnaubte. Ich richtete mich langsam auf und sah mich um: Bäume, Gras, Laub und Erde. Das konnte nicht wahr sein. Dies war jedenfalls nicht die Ebene der Vergessenen. Hier waren Pflanzen und Bäume. Hier roch es nach feuchter Erde und altem Laub. Gerüche, wie aus meinen Kindheitstagen. Aber trotzdem war mir dieser Ort irgendwie vertraut. Eine seltsame Unruhe umfing mich. Aquilinius schien mit dieser Situation zufrieden zu sein. Er tollte den Irrlichtern nach, so wie ich es bisher noch nie bei ihm gesehen hatte. Er war immerhin ein Kriegsgreif der Liras Kleriker.
Ich atmete tief durch und sog die frische Luft mit Genuss ein. Hier lag kein Gestank des Todes in der Luft. Hier war es so ruhig und friedlich. Die Irrlichter tanzten nun näher an mich heran und kreisten dann um einen Stein, der sich auf der Lichtung befand.
Dieser Ort war mir so seltsam vertraut. Ich ging auf diesen Stein zu. Erinnerungen erwachten in mir: Namen, Orte, Ereignisse. Vielleicht träumte ich ja bloß, aber dafür war das hier viel zu real.
Einer Eingebung folgend scharrte ich am Fuß des Steines im Boden und grub dort die Erde zur Seite. Ich grub immer schneller, als ob ich wusste, was ich dort finden würde. Eine Kiste aus Metall, eingeschlagen in Leder kam nach einer Weile zum Vorschein. Als ich das Metall berührte, sah ich mich mit einer Robe bekleidet, wie ich mich über die Kiste beugte, wie ich darin Bücher, Gegenstände und sogar Gold verstaute. Ich strich mit der Hand über die Kiste, die absolut eben gearbeitet war, keine Schlitze oder Öffnungen waren zu erkennen. Als ich die Kiste im schwachen Licht der Irrlichter ein wenig drehte, konnte ich ein Symbol erkennen: Eine Sonnenuhr. Das Wort „Semperum“ kam mir plötzlich in den Sinn und ich legte dieses Wort murmelnd meine Hand auf die Sonnenuhr. Das Symbol und der obere Teil der Kiste lösten sich auf. In Futterale gehüllt fand ich Bücher, Zeichnungen und Pergamente. Mein Kopf begann zu schmerzen, als immer mehr Bilder vor meinem Auge aufblitzten. Fragmente von Erinnerungen, die sich langsam zu einem Ganzen verbanden.
Ich legte den Inhalt der Kiste behutsam auf den Boden und begutachtete ihn. Ein versiegelter Brief befand sich darunter. Versiegelt mit dem Zeichen des Lethos: Sonne und Mond im Einklang. Ich war es gewesen, der den Brief geschrieben hatte, als Lethos Cyrian von Vitrearius. Ich bin Cyrian von Vitrearius, Greifenreiter und Kampfkleriker des Liras. Was ging hier nur vor?
Mit pochendem Herzen sammelte ich Holz und entzündete ein Lagerfeuer. Aquilinius kam zu mir und legte sich an meiner Seite auf den Boden. Er schien zu spüren, dass mich etwas beschäftigte. Ich setzte mich und nahm den Brief zur Hand. Als ich ihn geöffnet hatte, gab es kaum noch einen Zweifel daran, dass ich ihn geschrieben hatte, denn es war meine eigene Handschrift.
Was ich las war erstaunlich, aber nicht unverständlich. Vor dem großen Krieg war ich den Wissenschaften nahe gewesen und konnte mit diesem Wissen erschließen, was dieser Cyrian versuchte zu erklären. Im Brief stand etwas über alternative Realitäten, Spiegelbilder und Parallelwelten geschrieben. Er war von dieser Welt gegangen und der Leser, also ich, von meiner Welt. Dies wäre gleichzeitig in einem für den Fluss der Zeit wichtigen Moment geschehen. Durch die Fixpunkttheorie in der Zeit würde sich die Möglichkeit ergeben, diesen Zeitpunkt zu nutzen, um ein Fenster in eine andere Realität zu öffnen. Der Zeitpunkt wäre das Entscheidende. Die Aktvierung der Akasha Felder und der damit verbundene Aufbau der Energien in den Elementarknoten würden sich bis in das Mathricodon auswirken und dieses Fenster durch die Überlappung der Realitäten öffnen. Hätte diese Theorie nicht funktioniert, würde ich diesen Brief nicht lesen und hätte nicht diese Erinnerungen an ein anderes Leben. Cyrian, also ich, schloss mit den Worten, dass mein Wissen in diesen Büchern niedergeschrieben sei: Mein Leben und Mein Wirken, als Wegweiser für mich, der ich er sei. Mit jeder Zeile, die ich las, verschmolzen unsere Erinnerungen weiter. Wir begannen eins zu werden.
Gegenwart - Hier
Ein Jahr war nun vergangen. Ein Jahr voller Wunder, aber auch voller Wunden, die die Menschen durchlitten, hatte sich mir geboten. Der Krieg gegen die dunklen Alten war zwar beendet, aber von der Insel Blyrtindur, die eine neue Heimat nach dem Exodus bot, waren beunruhigende Nachrichten und Gerüchte gekommen. In Bretonia stritt man währenddessen um einen Thronerben. Ein Bürgerkrieg war heraufgezogen, aber auch dieser endete, irgendwann.
An vieles musste ich mich wieder erinnern, so dass mir dieses Jahr wie eine Pilgerfahrt vorkam, die ich unternahm, um mich selbst zu finden. Viele Orte hatte ich aufgesucht, die in den Tagebüchern erwähnt worden waren. Anfangs hatte ich noch meine Kapuze tief in das Gesicht gezogen, damit mich die Leute nicht erkannten. Mit der Zeit nahm ich die Identität eines Familienangehörigen derer von Vitrearius an. Als Nairyc Vitrearius bereiste ich den Kontinent und sprach mit Menschen, die auch den Lethos Cyrian gekannt hatten, sofern ich sie noch finden konnte. Alle diese Bruchstücke sammelte ich. Mit jedem Bruchstück ergab sich ein konkreteres Bild meiner Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Zukunft war es, die mich am meisten beschäftigte, denn die Zeit war im Fluss und ich war ein Teil dieses Flusses geworden. Auch, wenn mich eine Abzweigung hierher verschlagen hatte, so hatte ich auch ein zweites Leben bekommen, das ich nur noch mit echtem Leben füllen musste.
Ich winkte den Schiffen hinterher, die langsam am Horizont verschwanden. Das Meer glitzerte und nur kleine Wellen umspülten den Steg, an dem vor kurzem noch das Schiff meiner Freunde gelegen hatte. Tharon hatte ich eines meiner Insignien, die Tiara des Lethos mitgegeben, damit sie erhalten blieb. Während ich weiter auf das Meer blickte und meinen Freunden viel Glück bei ihrer Reise wünschte, kamen mir wieder Begrifflichkeiten über Zeit, Raum und alternative Realitäten in den Sinn: Erinnerungen an Gespräche mit Valverian und Maestlin und an das, was noch vor mir lag.
Stundenlang hatte ich mich mit dem Elaya Valverian über das Element Zeit unterhalten und mit ihm Hypothesen diskutiert, die ich sogar schon einmal in einem Buch als Pytharas niedergeschrieben hatte. Damals war es mir nur noch nicht bewusst gewesen. Es war schon seltsam, wie ein anderes Bewusstsein sich denselben Körper teilen konnte. Bewusstsein und Körper waren auch die Elemente über die ich mit Maestlin gesprochen hatte. Maestlin war ein Genie, wenn auch mit einem fragilen Geist, aber seine Ideen und Sichtweisen über die Zeit und Metawissenschaften waren außergewöhnlich. Während dieser Gespräche reifte in mir ein Plan, den ich mit Maestlin bei Wein und Brot lange Abende in der Küche der Abtei diskutierte. Es ging um Fixpunkte in der Zeit und die mögliche Überschneidung alternativer Realitäten. War es möglich, ein Abbild von sich zu erzeugen, wenn sich Realitäten überschnitten, um so bewusst die eigene Existenz weiterzuführen?
Bei Kerzenschein saßen wir zusammen, sogar noch, als die Glocken zur Frühmesse läuteten. Wir schrieben Formeln auf Pergamente und fertigten Zeichnungen an. Oft bat ich Ascanio als meinen Vertreter, dass er die Messe halten möge. Er und auch einige Mönche begannen sich, um mich zu sorgen, aber ich versicherte ihnen, dass dies ein vorübergehender Zustand sei. Alles würde sich ändern, wenn der Bau des Tempels abgeschlossen sei, wenn endlich Frieden entstehen könnte. Wenn endlich wieder ein Gleichgewicht im Kosmos herrschte. Unvergiftet vom Einfluss einer Maschine, die die Kraft und Möglichkeiten eines Gottes hatte, aber auf der Suche war nach dem Sinn seiner eigenen Existenz, seiner Seele.
Die Frage nach dem Sinn der eigenen Existenz war auch zentral für mich geworden, als ich weiter am Tempel plante. Die Begegnung mit meinem Sohn (?) ließ mich daran zweifeln, dass mit der Vollendung des Tempels auch mein Weg sein Ende finden würde.
Wie besessen arbeitete ich an einem neuen Weg, eine Abzweigung, um den Fluss der Zeit für mich nutzbar zu machen. Die Möglichkeit, die ich als Theorie in Betracht gezogen hatte, arbeitete mit der Annahme, dass es immer ein Abbild unserer eigenen Realität gab, ein Spiegelbild. „Nairyc“ hatte damals das Wesen auf der Brücke gesagt. Eines der Wesen, welches ich mit dem Seelenspiegel in Verbindung gebracht hatte. Der Seelenspiegel, der Tempel, die Elementarknoten, ich als Fixpunkt und die Zeit als Variable waren die Elemente für die Formel, die es zu entwickeln galt.
Aber mit wem sollte ich darüber sprechen? Valverian war verschwunden und Maestlin war zu Akasha gegangen, so wie er es sich immer gewünscht hatte. Ich war mit diesen Überlegungen allein mitten in einer Zeit, in der alles in Begriff war, sich zu verändern.
Wenn ich keine Berechnungen durchführte, begann ich, meine eigenen Aufzeichnungen, Bücher und Papiere zu kopieren. Mein Wissen wollte ich für mich selbst erhalten. Denn wie würde ich sein und mit welchem Wissen, wenn es funktionierte?
Mein Rücken schmerzte als ich mich auf dem Steg umdrehte. Das Laufen war beschwerlich geworden. Mein Körper alterte um Jahre in Stunden und Minuten. Ich stützte mich auf meinen Stab, der ein klopfendes Geräusch auf den Holzplanken erzeugte, als ich mich mit seiner Hilfe vom Steg hoch zum Tempel bewegte. Meine Schritte wurden immer beschwerlicher, als ich die steinernen Treppenstufen erklomm. Oben angekommen sah ich inmitten des Tempels die Rose und das Licht, das mich zu sich rief. Der Zeitpunkt war da. Die Sonne stand richtig. Ich durfte die Konstellation nicht verpassen. Ich warf den Stab beiseite und begann, ohne ihn los zu humpeln, zu laufen, zu rennen, bis ich das Licht erreichte. Es umhüllte mich, blendend, wärmend und wie von weiter Ferne konnte ich ein klirrendes Geräusch vernehmen.
Vergangenheit - Dort
Unter uns tobte die Schlacht. Knochige und halb verweste Wesen, teils menschlich und teils dämonisch bildeten Schlachtreihe umd Schlachtreihe gegen die anstürmenden Horden des Feindes aus der Finsterschlucht. Erdtitanen so groß wie mehrere Häuser lieferten sich Zweikämpfe mit den Megalotheren der dunklen Alten. Die Nekromanten Lebans hatten viel zu tun, um die Gefallenen beider Seiten wieder zu reanimieren, um so unsere Reihen wieder aufzufüllen. Zusammen mit den Kriegsmagiern der Akademie bildeten wir Kleriker unser beider Religionen das Rückgrat der Allianz, denn wir konnten es uns nicht mehr leisten, unsere lebenden Soldaten in die Schlacht zu schicken. In den Jahren des Krieges hatten wir solche hohen Verluste erlitten, dass das Leben einen unschätzbar hohen Wert bekommen hatte. Die Kirche des Liras hatte ihre Priester dazu bewogen, den Weg des Zorns in den Mittelpunkt zu stellen und nicht mehr den der Heilung. Wer sollte auch geheilt werden? Der Krieg wurde nur noch mit Magie und göttlicher Kraft geführt. Immer wieder konnte keine Seite einen entscheidenden Vorteil erringen. Den einen Tag drängten wir die dunklen Alten zurück, den anderen Tag standen sie kurz vor Bretonia Immensis. Ein seltsames Gleichgewicht war über die Jahre entstanden.
Unterhalb Bretonias hatten wir seltsame Katakomben entdeckt, die mit Lava durchsetzt waren. Zusammen mit der hohen Luftfeuchtigkeit hatten es die Animisten der Kelten geschafft, hier Pilzkulturen zu etablieren, die nun unser Hauptnahrungsmittel bildeten. Oben war das Land karg und öde geworden. Schwarze Erde. Die Konsequenz davon war, dass die Menschen nach Bretonia flohen und Bretonia war gewachsen. Als Beispiel hierfür sei nur zu erwähnen, dass Burg Hohenfels ein Teil der neuen Stadtmauer geworden war, ein Wachturm und der große Fluss verlief nun mitten in der Stadt. Die Erdelementare der Theurgen hatten ganze Arbeit geleistet. Bretonia Immensis nannte manche unsere Stadt, in der nun nicht mehr nur Bretonen lebten.
Oft schon hatte ich mich gefragt, was das Ziel dieses Krieges eigentlich sei. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass unser Feind uns etwas mitteilen wollte. Aber das war momentan unwichtig.
Meine Greifenschwadron zog vom Schlachtfeld ab. Wir waren zu sechst mit unseren Greifen: Fünf Paladine des Liras und ich als anführender Kleriker. Die Schwadron sollte eine Schleife über der Ebene der Vergessenen fliegen, um Truppenbewegungen zu beobachten und um Quentar des Feindes abzufangen. Keine leichte Aufgabe, denn die Quentar des Feindes waren ebenso wachsam wie effektiv. Ich gab das Zeichen, dass wir die Greifen in höher gelegene Wolkenschichten leiten sollten. Plötzlich hörte ich hinter mir das Geräusch vom Schlagen ledriger Schwingen. Ich zog Aquilinius zurück und drei Quentar umkreisten uns. Die Wesen begannen zu kreischen, als Liras’ Kraft um mich herum aufblitzte. Noch nie war der Lichtlblitz so hell gewesen. Ich hatte Mühe mich auf Aquilinius zu halten. Dann zersplitterte etwas, irgendwo.
Vergangenheit - Irgendwo
Er hat es also tatsächlich getan, dachte der Rotberobte und schaute in die Unendlichkeit der sich reflektierenden Spiegel. Er war einer derer, die die Zeit kannten, wie auch Valverian.
Zerbrach ein Spiegel war dies ein Zeichen dafür, dass ein Ereignis diese Realität veränderte. Die Splitter arrangierten, formten sich dann neu, ein neuer Spiegel entstand.
Nun waren zwei Spiegel gleichzeitig zerbrochen, auch das war noch nichts Außergewöhnliches. Außergewöhnlich war die Neuformation: Zwei kleine Splitter aus den beiden verschiedenen Spiegeln verschmolzen und formten sich in einem Spiegel neu. Es waren winzige Splitter, aber er erkannte mit einem seltsamen Lächeln das Gesicht Cyrians.
Dann sah er sich den neu entstandenen Spiegel genauer an: Der Rosentempel war zu sehen, der Exodus. Er formte eine Zeitlinie für diesen Spiegel und sah einen blutigen Erbfolgekrieg auf dem Kontinent und den Kampf gegen Lazarus auf Blyrtindur, wie dies auch in anderen Realitäten geschah. Trotzdem gab es ein kleines Detail: Cyrian von Vitrearius in Kettenrüstung und mit einem Greifen, ohne Robe des Lethos und jung an Jahren.
Frühe Vergangenheit - Hier
Lichter tanzten um mich herum, als ich die Augen aufschlug. Es war dunkel und ich konnte den Wind hören, wie er durch die Blätter rauschte. Ich lag auf dem Rücken inmitten einer Lichtung, wo Irrlichter tanzten. Dazwischen stand Aquilinius, der mich musterte und dann schnaubte. Ich richtete mich langsam auf und sah mich um: Bäume, Gras, Laub und Erde. Das konnte nicht wahr sein. Dies war jedenfalls nicht die Ebene der Vergessenen. Hier waren Pflanzen und Bäume. Hier roch es nach feuchter Erde und altem Laub. Gerüche, wie aus meinen Kindheitstagen. Aber trotzdem war mir dieser Ort irgendwie vertraut. Eine seltsame Unruhe umfing mich. Aquilinius schien mit dieser Situation zufrieden zu sein. Er tollte den Irrlichtern nach, so wie ich es bisher noch nie bei ihm gesehen hatte. Er war immerhin ein Kriegsgreif der Liras Kleriker.
Ich atmete tief durch und sog die frische Luft mit Genuss ein. Hier lag kein Gestank des Todes in der Luft. Hier war es so ruhig und friedlich. Die Irrlichter tanzten nun näher an mich heran und kreisten dann um einen Stein, der sich auf der Lichtung befand.
Dieser Ort war mir so seltsam vertraut. Ich ging auf diesen Stein zu. Erinnerungen erwachten in mir: Namen, Orte, Ereignisse. Vielleicht träumte ich ja bloß, aber dafür war das hier viel zu real.
Einer Eingebung folgend scharrte ich am Fuß des Steines im Boden und grub dort die Erde zur Seite. Ich grub immer schneller, als ob ich wusste, was ich dort finden würde. Eine Kiste aus Metall, eingeschlagen in Leder kam nach einer Weile zum Vorschein. Als ich das Metall berührte, sah ich mich mit einer Robe bekleidet, wie ich mich über die Kiste beugte, wie ich darin Bücher, Gegenstände und sogar Gold verstaute. Ich strich mit der Hand über die Kiste, die absolut eben gearbeitet war, keine Schlitze oder Öffnungen waren zu erkennen. Als ich die Kiste im schwachen Licht der Irrlichter ein wenig drehte, konnte ich ein Symbol erkennen: Eine Sonnenuhr. Das Wort „Semperum“ kam mir plötzlich in den Sinn und ich legte dieses Wort murmelnd meine Hand auf die Sonnenuhr. Das Symbol und der obere Teil der Kiste lösten sich auf. In Futterale gehüllt fand ich Bücher, Zeichnungen und Pergamente. Mein Kopf begann zu schmerzen, als immer mehr Bilder vor meinem Auge aufblitzten. Fragmente von Erinnerungen, die sich langsam zu einem Ganzen verbanden.
Ich legte den Inhalt der Kiste behutsam auf den Boden und begutachtete ihn. Ein versiegelter Brief befand sich darunter. Versiegelt mit dem Zeichen des Lethos: Sonne und Mond im Einklang. Ich war es gewesen, der den Brief geschrieben hatte, als Lethos Cyrian von Vitrearius. Ich bin Cyrian von Vitrearius, Greifenreiter und Kampfkleriker des Liras. Was ging hier nur vor?
Mit pochendem Herzen sammelte ich Holz und entzündete ein Lagerfeuer. Aquilinius kam zu mir und legte sich an meiner Seite auf den Boden. Er schien zu spüren, dass mich etwas beschäftigte. Ich setzte mich und nahm den Brief zur Hand. Als ich ihn geöffnet hatte, gab es kaum noch einen Zweifel daran, dass ich ihn geschrieben hatte, denn es war meine eigene Handschrift.
Was ich las war erstaunlich, aber nicht unverständlich. Vor dem großen Krieg war ich den Wissenschaften nahe gewesen und konnte mit diesem Wissen erschließen, was dieser Cyrian versuchte zu erklären. Im Brief stand etwas über alternative Realitäten, Spiegelbilder und Parallelwelten geschrieben. Er war von dieser Welt gegangen und der Leser, also ich, von meiner Welt. Dies wäre gleichzeitig in einem für den Fluss der Zeit wichtigen Moment geschehen. Durch die Fixpunkttheorie in der Zeit würde sich die Möglichkeit ergeben, diesen Zeitpunkt zu nutzen, um ein Fenster in eine andere Realität zu öffnen. Der Zeitpunkt wäre das Entscheidende. Die Aktvierung der Akasha Felder und der damit verbundene Aufbau der Energien in den Elementarknoten würden sich bis in das Mathricodon auswirken und dieses Fenster durch die Überlappung der Realitäten öffnen. Hätte diese Theorie nicht funktioniert, würde ich diesen Brief nicht lesen und hätte nicht diese Erinnerungen an ein anderes Leben. Cyrian, also ich, schloss mit den Worten, dass mein Wissen in diesen Büchern niedergeschrieben sei: Mein Leben und Mein Wirken, als Wegweiser für mich, der ich er sei. Mit jeder Zeile, die ich las, verschmolzen unsere Erinnerungen weiter. Wir begannen eins zu werden.
Gegenwart - Hier
Ein Jahr war nun vergangen. Ein Jahr voller Wunder, aber auch voller Wunden, die die Menschen durchlitten, hatte sich mir geboten. Der Krieg gegen die dunklen Alten war zwar beendet, aber von der Insel Blyrtindur, die eine neue Heimat nach dem Exodus bot, waren beunruhigende Nachrichten und Gerüchte gekommen. In Bretonia stritt man währenddessen um einen Thronerben. Ein Bürgerkrieg war heraufgezogen, aber auch dieser endete, irgendwann.
An vieles musste ich mich wieder erinnern, so dass mir dieses Jahr wie eine Pilgerfahrt vorkam, die ich unternahm, um mich selbst zu finden. Viele Orte hatte ich aufgesucht, die in den Tagebüchern erwähnt worden waren. Anfangs hatte ich noch meine Kapuze tief in das Gesicht gezogen, damit mich die Leute nicht erkannten. Mit der Zeit nahm ich die Identität eines Familienangehörigen derer von Vitrearius an. Als Nairyc Vitrearius bereiste ich den Kontinent und sprach mit Menschen, die auch den Lethos Cyrian gekannt hatten, sofern ich sie noch finden konnte. Alle diese Bruchstücke sammelte ich. Mit jedem Bruchstück ergab sich ein konkreteres Bild meiner Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Zukunft war es, die mich am meisten beschäftigte, denn die Zeit war im Fluss und ich war ein Teil dieses Flusses geworden. Auch, wenn mich eine Abzweigung hierher verschlagen hatte, so hatte ich auch ein zweites Leben bekommen, das ich nur noch mit echtem Leben füllen musste.
Tagebucheintrag:
Eine kleine Rast ermöglicht es mir, ein paar Zeilen zu Papier zu bringen. Wir sind auf dem Weg zu einem Schlachtfeld in Midgard, das mitten im Land der Riesen liegt. Meine Gefährten berichteten davon, dass sie schon einmal dort gewesen wären.
Wenn Liras es gut mit uns meint, ist ihre Vermutung richtig, dass dies der Ort eines Heerführers ist, den wir suchen.
Die letzten Tage waren genauso seltsam, wie vertraut. Es war die richtige Entscheidung gewesen, nach Midgard zu reisen. Hier hoffte ich, einen alten Freund wieder zu finden, von dem man mir berichtete, dass er in Sköldbjur zu finden sein könnte. Vor Sköldbjur schaute mich der Wachhabende etwas überrascht an, bevor er mich passieren ließ. Ich hörte ihn, wie er sich selbst leise die Frage stellte: Lethos Cyrian? Hier war ich einst der Lethos gewesen. Aber es gab nun einen neuen und auch soll es einen Gegenlethos geben. Merkwürdig.
Ich war rastlos gewesen, bevor ich Sköldbjur erreichte, denn immer wieder dachte ich daran, wie ich den Feierlichkeiten beigewohnt hatte, als ihn die Walküren nach Walhall an Odins Tafel holten. Als ich dann die Taverne in Sköldbjur betrat, stellte sich diese eine Erinnerung als falsch heraus. Es war wieder ein Fragment aus der anderen Realität, das mich eingeholt hatte, aus meinem anderen Leben, das ich hier nun nicht mehr führte, sondern das sich immer mehr mit den Erinnerungen und Emotionen Lethos Cyrians füllte.
Meine Freude war groß gewesen, Tharon als Hrafna wieder zu sehen. Er war in der anderen Realität und auch hier mein vetrauter Freund gewesen, umso mehr freute ich mich darüber, dass er lebte. Vielleicht ergibt sich später die Gelegenheit, ihm alles zu erklären. Seine Gefährten stellten ebenso keine unangenehmen Fragen, dass ist das, was ich an den Nordleuten so mag. Wenn etwas so ist, dann ist es eben so. Da wird nicht viel nachgefragt.
Die folgenden Tage konnte ich nutzen, um selber ein wenig darüber in Erfahrung zu bringen, was hier in Midgard vor sich geht. Leban gefangen und eingekerkert von Hel, war schon eine beunruhigende Nachricht. Das Gleichgewicht war wieder in Gefahr, so wie ich es schon so oft erlebt hatte. Was geschicht, das geschieht, so war es immer. Aber es war auch so, dass es für jedes Gewicht ein Gegengewicht gab, man musste es nur finden.
Ich begann, mich mit den Ältesten über Hel zu unterhalten, auch über die Hochzeit, die sie plante. Man erzählte mir von einer Sage über die Hexe Samraka und einer goldenen Rute, mit der diese Hochzeit verhindert worden war. Hätte die Hochzeit stattgefunden, hätte Hel die Welt der Lebenden betreten können. So musste sie weiterhin in ihrem Totenreich darben und denjenigen einen Teil ihrer Macht geben, die ihre Heere führten und die Gefallenen wieder in ihre Armee der Toten aufnahmen. Diese Anführer waren der Schlüssel dazu, um Hels Armee nachhaltig zu schwächen.
Nach wie vor beschäftigte mich auch der Verbleib Lebans. Wo hatte Hel ihn hingebracht? In den Gesprächen erfuhr ich von Visionen über Inseln aus Feuer. Muspelheim. Alte Karten durfte ich mir ansehen und konnte das Gebiet einkreisen, wo Leban hin verschleppt worden war. Aquilinius flog mich sicher über das Gebiet: Schwere Befestigungsanlagen konnte ich sehen, Drachen und Riesen, die den Eingang bewachten, so wie den Heerwurm, der Richtung Sköldbjur marschierte.
Nun aber waren wir unterwegs zu diesem Schlachtfeld. Wir hatten Smaraka gefunden, untot und Hel hassend. Wir erfuhren von drei Heerführern, die die Macht Hels besitzen und davon, dass einer von ihnen die magsiche Rute besitzen soll, die wir suchen. Aber bei Liras, das untote Hexenweib hilft uns sicherlich nicht aus Gutmütigkeit. Einen Raben will sie. Einen Geisterraben, wie wir erfuhren, böse und weise, wie Samraka wohl selbst.
Eine kleine Rast ermöglicht es mir, ein paar Zeilen zu Papier zu bringen. Wir sind auf dem Weg zu einem Schlachtfeld in Midgard, das mitten im Land der Riesen liegt. Meine Gefährten berichteten davon, dass sie schon einmal dort gewesen wären.
Wenn Liras es gut mit uns meint, ist ihre Vermutung richtig, dass dies der Ort eines Heerführers ist, den wir suchen.
Die letzten Tage waren genauso seltsam, wie vertraut. Es war die richtige Entscheidung gewesen, nach Midgard zu reisen. Hier hoffte ich, einen alten Freund wieder zu finden, von dem man mir berichtete, dass er in Sköldbjur zu finden sein könnte. Vor Sköldbjur schaute mich der Wachhabende etwas überrascht an, bevor er mich passieren ließ. Ich hörte ihn, wie er sich selbst leise die Frage stellte: Lethos Cyrian? Hier war ich einst der Lethos gewesen. Aber es gab nun einen neuen und auch soll es einen Gegenlethos geben. Merkwürdig.
Ich war rastlos gewesen, bevor ich Sköldbjur erreichte, denn immer wieder dachte ich daran, wie ich den Feierlichkeiten beigewohnt hatte, als ihn die Walküren nach Walhall an Odins Tafel holten. Als ich dann die Taverne in Sköldbjur betrat, stellte sich diese eine Erinnerung als falsch heraus. Es war wieder ein Fragment aus der anderen Realität, das mich eingeholt hatte, aus meinem anderen Leben, das ich hier nun nicht mehr führte, sondern das sich immer mehr mit den Erinnerungen und Emotionen Lethos Cyrians füllte.
Meine Freude war groß gewesen, Tharon als Hrafna wieder zu sehen. Er war in der anderen Realität und auch hier mein vetrauter Freund gewesen, umso mehr freute ich mich darüber, dass er lebte. Vielleicht ergibt sich später die Gelegenheit, ihm alles zu erklären. Seine Gefährten stellten ebenso keine unangenehmen Fragen, dass ist das, was ich an den Nordleuten so mag. Wenn etwas so ist, dann ist es eben so. Da wird nicht viel nachgefragt.
Die folgenden Tage konnte ich nutzen, um selber ein wenig darüber in Erfahrung zu bringen, was hier in Midgard vor sich geht. Leban gefangen und eingekerkert von Hel, war schon eine beunruhigende Nachricht. Das Gleichgewicht war wieder in Gefahr, so wie ich es schon so oft erlebt hatte. Was geschicht, das geschieht, so war es immer. Aber es war auch so, dass es für jedes Gewicht ein Gegengewicht gab, man musste es nur finden.
Ich begann, mich mit den Ältesten über Hel zu unterhalten, auch über die Hochzeit, die sie plante. Man erzählte mir von einer Sage über die Hexe Samraka und einer goldenen Rute, mit der diese Hochzeit verhindert worden war. Hätte die Hochzeit stattgefunden, hätte Hel die Welt der Lebenden betreten können. So musste sie weiterhin in ihrem Totenreich darben und denjenigen einen Teil ihrer Macht geben, die ihre Heere führten und die Gefallenen wieder in ihre Armee der Toten aufnahmen. Diese Anführer waren der Schlüssel dazu, um Hels Armee nachhaltig zu schwächen.
Nach wie vor beschäftigte mich auch der Verbleib Lebans. Wo hatte Hel ihn hingebracht? In den Gesprächen erfuhr ich von Visionen über Inseln aus Feuer. Muspelheim. Alte Karten durfte ich mir ansehen und konnte das Gebiet einkreisen, wo Leban hin verschleppt worden war. Aquilinius flog mich sicher über das Gebiet: Schwere Befestigungsanlagen konnte ich sehen, Drachen und Riesen, die den Eingang bewachten, so wie den Heerwurm, der Richtung Sköldbjur marschierte.
Nun aber waren wir unterwegs zu diesem Schlachtfeld. Wir hatten Smaraka gefunden, untot und Hel hassend. Wir erfuhren von drei Heerführern, die die Macht Hels besitzen und davon, dass einer von ihnen die magsiche Rute besitzen soll, die wir suchen. Aber bei Liras, das untote Hexenweib hilft uns sicherlich nicht aus Gutmütigkeit. Einen Raben will sie. Einen Geisterraben, wie wir erfuhren, böse und weise, wie Samraka wohl selbst.